Der Selbstoptimierer

In der schwülen Halle wälzten sie tiefgründige Worte wie: „Alles fängt bei dir an und hört bei dir auf.“ der Ratgeber auf der Bühne wirkte schon nach wenigen Minuten verschwitzt und überanstrengt.

„Du bist dein eigener Weg, du solltest aber auch dein Ziel sein.“ und man blätterte in Ringgehefteten Broschüren, die im Preis inbegriffen waren und folgte den Anweisungen: Notiere Stichwortartig, wie du dich gerne auf dieser Welt sehen möchtest! Darunter stand in geschnörkelter Schrift: „Wer sein Ziel-Ich kennt, weiß, was er zu erreichen im Stande ist.“

Und auf der nächsten Seite eine Sonne, in deren Mitte nur das Wort ICH prangte.

Alles lauter Iche in diesem Saal. Und von nichts andrerem wurde geredet. Von den Ichen und den ganzen Menschen, die den unvollendet geformten Ichen auf ihren Ich-Wegen zum Ziel-Ich im Weg standen. Man redete über Giftmänner und Steinmänner, über Un-Personen und Irr-Menschen. Man erzählte ihnen eine Legende von einer Welt, die stank wie ein ewig finsteres Loch.

Befreie dein Ich, brüllte er von der Bühne mit kleinen Schaumbläschen an der Lippe.

Sei dein eigener Befreier.

Und löse dich von den Fesseln der Irrtümer.

Ja, man erzählte sogar etwas von Platons Höhle. Und garnierte das Wort Selbstoptimierung mit einem krummhölzernen Kantsatz.

In der Pause gab es Schnittchen.

Am Ausgang Visitenkarten, Bücher und CDs für Pendler.

Ärzte schwören, dass sie alles tun, um Patienten gesund zu machen. Der beste Arzt ist der, der sich selbst arbeitslos macht.

Es hat schon viele Selbstoptimierungsratgeber gegeben, die zwar auf ihr eigenes Programm, noch nie aber solche, die einen Eid geschworen haben.

„Sei nicht so negativ! Du willst mir doch nicht wie ein Steinmann im Weg stehen!“

„Tut mir Leid. Ich frage mich nur, zu welcher Show du gehen wirst, wenn du einmal fertig bist, dein Selbst zu polieren. Zu mir jedenfalls nicht.“

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