Stadt
Die Brosche (2)
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2
Uboldo hatte wenig Freunde. Aber die wenigen waren von der Art, auf die man zählen konnte. Alessia di Vicenco war sogar eine ehemalige Geliebte. Eine von den wenigen Festen und die einzige, mit der er nicht nur verdammt guten Sex gehabt hatte, sondern auch heute noch ganz gut stand. Sie hatte ihn immer gemocht, obwohl er ihr genug Gründe gegeben hatte, ihn zu hassen. Und dafür war er ihr wirklich dankbar. So dankbar, dass er an diesem Abend mit einem wirklich ...
Kinderfänger (6)
Showdown!
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Hier geht es zu Teil (1)
Hier geht es zu Teil (2)
Hier geht es zu Teil (3)
Hier geht es zu Teil (4)
Hier geht es zu Teil (5)
Lev hatte oft gehört, dass man sagte, in den Augen könne man die Seele eines Menschen sehen. Oder man könnte in den Augen Gedanken lesen. Er hatte es mal versucht in den Augen eines Mädchens. Sie hatten in seinem Zimmer nebeneinander auf dem Bett gesessen. Und er hatte ihr ganz tief und vor allem intensiv in die Augen geschaut. Eine unglaublich ...
Lichternte
Über der Stadt hing ein Zementhimmel.
Es regnete nicht. Aber wenn man genau hinsah, dann hingen dünne, lose Fäden von dem Himmel herab. Und an jedem kondensierte die Luft zu silbrig-grauen Tropfen.
Wenn man darunter stand und hochblickte, dann musste man schon sehr genau hinsehen. Man musste so gute Augen haben wie nur wenige. Einer von diesen Wenigen war der Herr mit dem weißen Hut, der auf seinem Weg zur Arbeit bei dem kleinen Zigaretten- und Zeitschriftenhäuschen immer kurz verweilte. ...
Ruhrgebiet 2019
Das Ruhrmuseum in Essen behauptet, die Menschen im Ruhrpott haben sich immer mit dem Prädikat der Männlichkeit selbstinterpretiert. Hier sei das Malochen wesentlicher Bestandteil der Selbstinszenierung, der Selbsterfüllung, vielleicht sogar des ganzen Selbstes. Fußball, Mantas, Reihenhausromantik, Straßenkinder, Trinkhallen, Industriecharme, Ruß statt Rouge. Und alles läge zerbrochen und im Wandel einbegriffen.
Der Mann ist deutschlandweit nicht mehr das, was er einmal war. Männlich nicht ...
Miniatur
Salim rief so laut er nur konnte gegen das Chaos, gegen die Tauben am ausgetrockneten Kugelbrunnen, gegen die „Ballspielen verboten“ Schilder, unter denen zwei dickbäuchige Männer mit Goldketten Zigarillos zogen. Salim brüllte gegen die Frau, die sich einen goldenen Mosaiktisch vor ihr Teppichgeschäft gestellt hatte. Salims Worte gegen die schief endlos lange Fußgängerzone mit dem Liebespaar, das durch Herbstlaub raschelte, als wären sie zwanzig Jahre jünger. Lautstärke gegen die Hunde, ...
Gleichheit und Freiheit
Mitten im größten Gedränge sich einsam fühlen? Das ist ein altes menschliches Empfinden. Spätestens in dem Zeitalter der Industrialisierung begann es. Nicht wegen der Maschinen, die die Menschen zu ersetzen begannen: wegen der Vielzahl an Menschen, wegen des Gedränges.
Je enger man zusammenrutscht, je mehr Bewegungsfreiheit verliren geht, desto mehr schafft die Seele sich im Körperinnern Platz.
Desto mehr fühlt man in sich selbst hinein und erahnt was dieses Ich doch ein Gleiches ist.
Freiheit ...
Was aus Narben wächst (1) Karawane
Antoine de Saint-Exupéry schrieb einmal „Das Wesentliche der Karawane aber entdeckst du, wenn sie sich abnutzt. Vergiss den eitlen Lärm der Worte und schau: Wenn der Abgrund ihrem Wege widersteht, umgeht sie den Abgrund; wenn der Fels sich erhebt, weicht sie ihm aus; wenn der Sand zu fein ist, sucht sie anderswo festen Sand, doch stets schlägt sie wieder die gleiche Richtung ein.“
Nachts waren alle Städte golden.
Der Asphalt glitzerte, als ob Sterne eingepflastert wären.
Leuchtreklamen ...
Es gibt Augen, die so traurig sind
Und doch nicht einmal sagen
Halt mich fest, ich werde blind,
häng an den Fäden meiner Narben
Und auf die bleiche Haut fällt
Schräg das grüne Licht
Während die Welt sich weiter dreht
Bewegst du dich einfach nicht
Es gibt Stimmen, die laut reden
Worum es geht, sagen sie nicht
Sie zeigen auf das grelle Leben
Du beschattest dein Gesicht
Und zwischen mir und dir
Verwachsen die kalte, graue Stadt
Zwischen dir und mir
Zu viele Leben finden statt
So ein Mensch
So ein Mensch, der gelebt hat,
Im Sterben aber gegen den losen
Stein eines Damms fällt,
Dessen Tod dann die Flut bringt,
Und nunmehr nun nicht mehr
Als ein Anstoß geworden ist:
So einer ist in den Augen
Der Welle kein Mensch mehr.
Auf den Straßen der Republik: Wölfe
Mit blutleerem Blick.
So ein Mensch, den man brüllend
Durch ein Land trägt, mit nichts
Als Angst und Hass und Stolz
Dessen Tod lauter klingt als sein
Name, dessen Biografie
Wertloser wurde als seine
Beerdigung, so ...