Der beste Tipp 2020

Der beste Tipp, den Kev je bekam: Die Bühne ist keine Therapiesitzung und das Publikum nicht dein Freund. Die wollen von dir unterhalten werden. Die wollen nichts von dir wissen, wollen dir nicht helfen. Sie wollen nicht mal, dass du dein Bestes gibst, große Kunst oder so etwas. Die Leute wollen einfach nur, dass du sie ablenkst. Was, fragte Kev sich eines Tages, ist der Unterschied zwischen mir, dem Mann auf der Bühne, und Lou, dem Mann, der das Bier verkaufte. Ich mache mir nichts ...

Die Brosche (2)

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Uboldo hatte wenig Freunde. Aber die wenigen waren von der Art, auf die man zählen konnte. Alessia di Vicenco war sogar eine ehemalige Geliebte. Eine von den wenigen Festen und die einzige, mit der er nicht nur verdammt guten Sex gehabt hatte, sondern auch heute noch ganz gut stand. Sie hatte ihn immer gemocht, obwohl er ihr genug Gründe gegeben hatte, ihn zu hassen. Und dafür war er ihr wirklich dankbar. So dankbar, dass er an diesem Abend mit einem wirklich ...

Kinderfänger (6)

Showdown!

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Lev hatte oft gehört, dass man sagte, in den Augen könne man die Seele eines Menschen sehen. Oder man könnte in den Augen Gedanken lesen. Er hatte es mal versucht in den Augen eines Mädchens. Sie hatten in seinem Zimmer nebeneinander auf dem Bett gesessen. Und er hatte ihr ganz tief und vor allem intensiv in die Augen geschaut. Eine unglaublich ...

Lichternte

 

Über der Stadt hing ein Zementhimmel.

Es regnete nicht. Aber wenn man genau hinsah, dann hingen dünne, lose Fäden von dem Himmel herab. Und an jedem kondensierte die Luft zu silbrig-grauen Tropfen.

Wenn man darunter stand und hochblickte, dann musste man schon sehr genau hinsehen. Man musste so gute Augen haben wie nur wenige. Einer von diesen Wenigen war der Herr mit dem weißen Hut, der auf seinem Weg zur Arbeit bei dem kleinen Zigaretten- und Zeitschriftenhäuschen immer kurz verweilte. ...

Ruhrgebiet 2019

Das Ruhrmuseum in Essen behauptet, die Menschen im Ruhrpott haben sich immer mit dem Prädikat der Männlichkeit selbstinterpretiert. Hier sei das Malochen wesentlicher Bestandteil der Selbstinszenierung, der Selbsterfüllung, vielleicht sogar des ganzen Selbstes. Fußball, Mantas, Reihenhausromantik, Straßenkinder, Trinkhallen, Industriecharme, Ruß statt Rouge. Und alles läge zerbrochen und im Wandel einbegriffen.

Der Mann ist deutschlandweit nicht mehr das, was er einmal war. Männlich nicht ...

Miniatur

Salim rief so laut er nur konnte gegen das Chaos, gegen die Tauben am ausgetrockneten Kugelbrunnen, gegen die „Ballspielen verboten“ Schilder, unter denen zwei dickbäuchige Männer mit Goldketten Zigarillos zogen. Salim brüllte gegen die Frau, die sich einen goldenen Mosaiktisch vor ihr Teppichgeschäft gestellt hatte. Salims Worte gegen die schief endlos lange Fußgängerzone mit dem Liebespaar, das durch Herbstlaub raschelte, als wären sie zwanzig Jahre jünger. Lautstärke gegen die Hunde, ...

Gleichheit und Freiheit

Mitten im größten Gedränge sich einsam fühlen? Das ist ein altes menschliches Empfinden. Spätestens in dem Zeitalter der Industrialisierung begann es. Nicht wegen der Maschinen, die die Menschen zu ersetzen begannen: wegen der Vielzahl an Menschen, wegen des Gedränges.

Je enger man zusammenrutscht, je mehr Bewegungsfreiheit verliren geht, desto mehr schafft die Seele sich im Körperinnern Platz.

Desto mehr fühlt man in sich selbst hinein und erahnt was dieses Ich doch ein Gleiches ist.

Freiheit ...

Was aus Narben wächst (1) Karawane

 

Antoine de Saint-Exupéry schrieb einmal „Das Wesentliche der Karawane aber entdeckst du, wenn sie sich abnutzt. Vergiss den eitlen Lärm der Worte und schau: Wenn der Abgrund ihrem Wege widersteht, umgeht sie den Abgrund; wenn der Fels sich erhebt, weicht sie ihm aus; wenn der Sand zu fein ist, sucht sie anderswo festen Sand, doch stets schlägt sie wieder die gleiche Richtung ein.“

 

Nachts waren alle Städte golden.

Der Asphalt glitzerte, als ob Sterne eingepflastert wären.

Leuchtreklamen ...

Es gibt Augen, die so traurig sind

Und doch nicht einmal sagen

Halt mich fest, ich werde blind,

häng an den Fäden meiner Narben

Und auf die bleiche Haut fällt

Schräg das grüne Licht

Während die Welt sich weiter dreht

Bewegst du dich einfach nicht

Es gibt Stimmen, die laut reden

Worum es geht, sagen sie nicht

Sie zeigen auf das grelle Leben

Du beschattest dein Gesicht

Und zwischen mir und dir

Verwachsen die kalte, graue Stadt

Zwischen dir und mir

Zu viele Leben finden statt

So ein Mensch

So ein Mensch, der gelebt hat,

Im Sterben aber gegen den losen

Stein eines Damms fällt,

Dessen Tod dann die Flut bringt,

Und nunmehr nun nicht mehr

Als ein Anstoß geworden ist:

So einer ist in den Augen

Der Welle kein Mensch mehr.

Auf den Straßen der Republik: Wölfe

Mit blutleerem Blick.

So ein Mensch, den man brüllend

Durch ein Land trägt, mit nichts

Als Angst und Hass und Stolz

Dessen Tod lauter klingt als sein

Name, dessen Biografie

Wertloser wurde als seine

Beerdigung, so ...