Humanismus oder humanistische Religion – Essay

Erich Fromm schrieb, es gäbe keinen Menschen, der nicht ein religiöses Bedürfnis hätte, „ein Bedürfnis nach einem Rahmen der Orientierung und einem Objekt der Hingabe.“ (Psychoanalyse und Religion, S. 243, Z. 248). Allein diesen Satz zu schreiben, irritiert mich. Wieso weiß ich denn so etwas, wenn ich mich selbst doch als a-religiös bezeichne? Auf die Frage, welche Religion ich habe, antworte ich meistens: „Ich bin nicht gläubig, wäre es aber gern.“ Und im Laufe der Gespräche, ...

Zion und Babylon

Zion ist aus Sand gebaut
Und Babylon aus Träumen
Wir sind nicht schlecht,
nur weil wir streben.

Tränen gibt es nur
Wo Hoffnungen uns führen
Wir treiben, das ist und wird
ewig unser Schicksal sein;

Es braucht uns nicht zu fürchten
In Zion können wir schlafen.
In Babylon lässt sich leben.

Die Einschulung

Es war schon merkwürdig, wie sich die Gesprächsthemen bei Tisch verändert hatten. Da war mal eine Zeit, in der man einfach schweigend an einem Grill gestanden hatte, Schulter an Schulter, in die Glut geblickt hat und alles war gut. Man nannte so was: „Den Gott einen lieben Mann sein lassen“. Und während die Tischgespräche dann langsam gewechselt waren zu bedenklichen, politischen Zuständen, man sich über Präsidenten genauso intensiv unterhielt wie über die Schreibfähigkeiten deutscher ...

Große Fragen

Kleine Leben stellen große Fragen Heben Welten aus den Fugen Große Leben wollen alles sagen Wissen doch selbst nicht, Wohin einst ihre Antworten sie trugen. Kleine Leben stellen Großes her Ordnen Großes um mit kleiner Kraft Großen Leben fällt das Kleinste schwer Weil kräftig ihnen alles rührt Und Chaos ihnen jede Ändrung schafft Kleine Leben denken groß großes Leben in Kanälen Ach Gott, wie denkt man denn bloß? Fragt sich jede Seite anstatt das Große mit dem Kleinen zu ...

Wenn die Flut kommt

Wenn die Flut kommt Bring dein Zeug in Sicherheit Wenn die Flut kommt Halt deinen Rettungsring bereit Wenn die Flut kommt Zieh dir dein Leben fest aufs Land Wenn die Flut kommt Zieh dein Risiko fort vom Rand Denn das Wasser ist heiß Und du verbrennst dir nur dein Leben Die letzten Tiere gehn von Bord Und alle Sünden sind vergeben Alle Bilder schwimmen fort Und die Kultur treibt gut vorbei Die letzten Wolken werden weiß Die ganze Welt wird wieder frei Wenn die Flut kommt Bring deine Strafe ins ...

Wo wir stehen

Wo wir stehen?
Sieh dich um: auf Eiskristallen
unter Halbhimmeln
zwischen Vergebungen
deren Werte verloren gingen
wie Brotkrumen

Wo wir stehen?
breitbeinig im Niemandsland
Grenzen, die vom Vergessen gezeichnet sind
Mauern aus Bibeln gebaut
kalt wie die Nacht ohne Sterne

Wo wir stehen
sind immerhin wir
und wir halten uns
aneinander
wie Stachelschweine.

Kalt wie die Nacht ohne Sterne
deren Werte verloren gingen
wie Brotkrumen
aus Eiskristallen
von Halbhimmeln
gestürzt
durch Wolken
aus Glas.

Pfingsten

Sprich mit einer Zunge Tausend Sprachen Und ein Wort Trag mit weiten Flügeln Goldne Wahrheit fort. Dass die Welt erblüht Im Wahrheitslichtermeer Lieber noch ist jener Jünger mir Der den beseelnden Geist abwehrte Der da sprach: nein, lass mir Diesen Platz im Herz voll Leere Tausend Ohren will ich haben Tausend Sprachen zu verstehn Tausend ungelöste Fragen Und tausend Wege zu begehn Lieber bin ich auf der Suche Das wär mir meine Religion! Welchen Zweck hätt mir ein Glaube, Hätte ich Gewissheit ...

Legende aus Cornea: Die Ebenen von Anun

Man erreicht die Ebenen von Anun ganz plötzlich. Mit einem Mal ist die Welt zu Ende und der Boden fällt kratertief ab. Es sind endlose Meter, die vor den Augen herabstürzen, ehe es in der Tiefe weiter geht. Die Welt hat hier eine Stufe. Es ist eine der zehn Stufen, die Prinz Anuneh’adas in die Wüste hat schlagen lassen. (...) ...