Miniatur

Salim rief so laut er nur konnte gegen das Chaos, gegen die Tauben am ausgetrockneten Kugelbrunnen, gegen die „Ballspielen verboten“ Schilder, unter denen zwei dickbäuchige Männer mit Goldketten Zigarillos zogen. Salim brüllte gegen die Frau, die sich einen goldenen Mosaiktisch vor ihr Teppichgeschäft gestellt hatte. Salims Worte gegen die schief endlos lange Fußgängerzone mit dem Liebespaar, das durch Herbstlaub raschelte, als wären sie zwanzig Jahre jünger. Lautstärke gegen die Hunde, die über die schmalen Treppen hetzten, auf den beinlosen Bettler zu, der eigentlich immer vor dem Pornopalast XPics saß, heute aber direkt gegenüber der Zeugen Jehovas mit ihren im Wind flatterndem Wachtürmen, weil es hier nach warmen Brezeln roch, die der alte Heb in seinem Stand für Wucherpreise verkaufte. „Weil die Firma.“ Eigentlich hasste er Brezeln, er wollte wieder Cornett spielen. Das lag aber beim Pfandleiher in der Auslage neben einer falschen Rolex und einer Playstation, die so silbern war wie das Brillengestell von Carola, die beim Brezelkauf die Tauben mit ihrer hysterischen Stimme vertrieb.

Salim brüllte gegen das Chaos als Carola ihm die Brezel reichte.

Er brüllte während er ausdruckslos auf dem Teig kaute. Brüllte, während sie ihn weiter schob, über die viel zu oft gerissenen Fliesen hinweg, in deren zerrissenen Mustern die Welt zu versinken drohte.

Salim schloss die Augen, als sie den Rollstuhl weiter schob. Auf den mit Plastikscheiben ummantelten Reifen drehte sich der „Autismus gegen den Rest der Welt“ Aufkleber genauso wie sich in Salims brüllenden Kopf das Chaos drehte, das Carola immer Welt nannte.

Und ein kleiner nach salzigem Cornettjazz schmeckender Teil, verklebte dem stumm kreischenden Kind den Gaumen.

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