Verlierer und Geschichte

Nicht die Geschichte sollte Verlierer,

Verlierer sollten Geschichte schreiben.

Nicht ihres Blutes wegen, ihres Leids,

Es drängt sie, Gerechtigkeit möge

Wenn schon nicht einst ihnen

So doch der Wahrheit wiederfahren,

Die fortan der Geschichte wiederfährt.

Nicht die Geschichte sollte Verlierer,

Verlierer sollten die Geschichte treiben

Vor sich her. Denn Verlierer

Haben nur die Zukunft als Heimat.

Dein einfaches Leben

Leb dein einfaches Leben. Du wirst glücklich konform. Denk nach, was der Vordenker vordenkt, der den Zug lenkt, der die Arme im richtigen Augenblick verschränkt. Denk, was dein Bauch dir empfiehlt, denk, was dir die Straße befiehlt. Denk - dir die Welt nicht größer als sie dir ist. Über besondere Menschen gibt es keine Serien, der besondere Mensch ist der erste, den die Welt vergisst. Leb nicht über die Tapeten hinaus. Leb nur diesseits des Fensters, halt die Welt aus deinem Leben und du dich ...

Tausend Schrauben

Ach, ich weiß nicht,

Tausend Schrauben, tausend Rädchen

Brav zu drehen, Stück um Stück

*

Ach, ich dreh mich

Tausend Runden, tausend Stunden

Dreh mich weiter doch kein Stück

*

Ach, ich bleib nicht

Tausend Leben, tausend Seelen

Bleib kein bisschen hier zurück

Es gibt Augen, die so traurig sind

Und doch nicht einmal sagen

Halt mich fest, ich werde blind,

häng an den Fäden meiner Narben

Und auf die bleiche Haut fällt

Schräg das grüne Licht

Während die Welt sich weiter dreht

Bewegst du dich einfach nicht

Es gibt Stimmen, die laut reden

Worum es geht, sagen sie nicht

Sie zeigen auf das grelle Leben

Du beschattest dein Gesicht

Und zwischen mir und dir

Verwachsen die kalte, graue Stadt

Zwischen dir und mir

Zu viele Leben finden statt

Sonntag

Lass dir mit mir

Den letzten Rest Sonntag

Auf der Zunge zergehn

Lass uns wie Wolkenschatten

Ganz gemächlich

Übers Leben drüber ziehn

Lass uns gemeinsam

Den Abendglanz genießen

Lass mich nicht allein

Die Sonnenblumen gießen.

Ich gestehe

Ich gestehe: ich gehe in Antiquariate, Nicht etwa um zu kaufen. Zum Riechen. Ich tauche gerne durch den Geruch Der entsteht, wenn sich Staub Allmählich auf die Jahre legt Wenn leicht die Feuchtigkeit Jahrzehnte tränkt Hartes Sonnenlicht die Farben dämmt Durch Sütterlinlettern, Die kratzbeinig stehn, Längst tote Gedanken Majestätisch wieder auferstehn Durch Ölgemaltes Und Lederverschnürtes Erblick ich Hartholverziertes Worin ich träume, eines fernen Tags Quarthefte zu finden ...

Große Fragen

Kleine Leben stellen große Fragen Heben Welten aus den Fugen Große Leben wollen alles sagen Wissen doch selbst nicht, Wohin einst ihre Antworten sie trugen. Kleine Leben stellen Großes her Ordnen Großes um mit kleiner Kraft Großen Leben fällt das Kleinste schwer Weil kräftig ihnen alles rührt Und Chaos ihnen jede Ändrung schafft Kleine Leben denken groß großes Leben in Kanälen Ach Gott, wie denkt man denn bloß? Fragt sich jede Seite anstatt das Große mit dem Kleinen zu ...

Fühle

Der Himmel in makelloser Weite Du weißt, wie ich mich fühle Die Konturen der halben Welt Auf den Staub eines Hinterkopfs gezeichnet Mit schwacher Fingerspitze Du weißt, wie ich mich fühle Die Schatten, die an uns kleben Du weißt, wie ich mich fühle In den schwarzen Schattentaschen Haben wir das Reisegeld Zerknüllte Scheine Selbstbemalt mit dem Dreck, Der im Blut war Du weißt, wie ich mich fühle Kaum gerade stehen Der letzte Anstand an den Nächsten Hält uns aufrecht Du ...