Rechte Politik ist ausschließend. Keine Frage. Keine Diskussion.
Die politische Rechte definiert sich geradezu dadurch, dass sie ausgrenzt. Nein, formulieren wir es anders: Die politische Rechte definiert sich dadurch, dass sie Definieren als ein Grenzenziehen versteht. Und Grenzen bedeuten immer ein Diesseits und ein Jenseits. Auf dem Diesseits befindet sich das Ideal der Grenzzieher. Im Jenseits sind die Andern, die, die nicht dazugehören zu dem, was man auf dieser Seite der Grenze als gut erachtet.
Die Grenze wird von der politischen Rechte derzeit nicht mehr als kritisch wahrgenommen. Wo ist das Problem, fragt sie. Grenzen schaffen Eindeutigkeiten. Sie klären und strukturieren und ordnen die Welt und ihre Verhältnisse. Wer in seiner Grenze steht und die Welt bis zu all seinen Grenzen im Blick hat, der hat deutlich weniger Sorgen als der, der die Grenzen nicht mehr sieht, wie der Cosmopolit, der von sich in Anspruch nimmt, ein Weltbürger qua Mensch zu sein.
Das ist Crux dieser Welt. Sie ist so groß. Sie ist eine Kugel. Und jede Kugel, die so groß ist, lässt sich nicht mehr überblicken. Das sorgt für das Bedürfnis der Einfriedung, der Rasterung, der Flächeneinteilung.
Sloterdijk sagte in einem Interview mit dem Cicero Ende Januar 2016: „Wir haben das Lob der Grenze nicht gelernt. In Deutschland glaubt man immer noch, eine Grenze sei nur dazu da, um sie zu überschreiten.“ Er unterstellte damit, dass wir historisch die falschen Schlüsse gezogen hätten. Grenzen seien in der jüngsten Vergangenheit immer Teiler gewesen und erst ihre Auflösung habe zu Zusammenführungen geführt. Man nehme die Berliner Mauer. Man nehme den Eisernen Vorhang. Man nehme das Schengener Abkommen. Man nehme die Währungsunion.
Waren das nicht alles Schritte in die selbe Richtung? Schritte, die den selben Tenor erahnen lassen? Ein konstanter, klimaktischer Anstieg in Richtung Globalisierung.
Wir haben uns so lange auf die Negativaspekte der Grenze konzentriert, dass wir blind gewesen sind für die Negativaspekte der Globalisierung.
Sehen Sie, so leicht geht der Vorwurf von den Lippen. Und so falsch ist er.
Wir waren niemals blind.
Wir haben immer gekämpft um die dritte Welt.
Wir haben immer mitgefiebert, als es im arabischen Frühling um den Anstieg an liberaler Werte ging.
Wir haben immer gewusst, dass es Kinderhände waren, die unsere Fußbälle hergestellt haben.
Wir haben immer gewusst, wie die Arbeitsbedingungen in anderen Enden der Welt sind. Wir haben von den Umweltkatastrophen gewusst, die unsere Konsumgeilheit mit sich brachte. Wir haben davon genauso gewusst, wie wir gewusst haben, dass uns Zigaretten Krebs einbringen. Wir haben gesehen! Aber wir haben ein Leben gelebt, in dem es uns gut gegangen ist. Während die Grenzen gefühlt fort waren, während wir uns im Herzen einer expandierenden globalisierten Welt in unserem Wohlstand – ja, Wohlstand! – gesuhlt haben, gab es dabei nur eine Tragik: dieses Wir, das waren keine globalisierten, das waren normale Menschen.
Die globalisierten Menschen, die saßen in Chefetagen und arbeiteten mit den Zahlen, die später auf die Banknoten gedruckt werden sollten.
Wir waren nicht blind. Es gab viele, die schon früh gerufen haben „der Kapitalismus frisst seine Kinder“. Und es gab viele Aussteiger, Punks, Che Guevaras, Viva la revolucion-Jünger und Autonome, deren Frust immer weiter anstieg, je mehr ihre Botschaft inzwischen zu Lehrplänen in allgemeinbildenden Schulen geworden war und die Realität immer weiter problematisch wurde.
Weil sich alles um Geld dreht, hat Deutschland trotz Finanzkrisen einen Finanzüberschuss mit wachsender Konjunktur und seit viel zu langer Zeit stagnierten Löhnen. Es gibt Diskussionen, Arbeitslose für den Arbeitsmarkt zu interessieren, die mit Euro-Jobs und Mindestlöhnen endeten, die an den falschen Enden gegriffen zu haben scheinen.
Was das Problem dahinter ist, ist so banal wie altbekannt: Geld hat keine Moral. Die Finanzmärkte funktionieren reibungslos. Der Mensch ist es, der als Schmiermittel im Getriebe aufgebraucht wird. Wenn wir dieses Schmiermittel nicht pflegen, wird die Maschine dadurch nicht schlechter funktionieren. Sie verbraucht einfach nur mehr Energie.
Wir haben Kultur verloren, weil dafür keine Zeit geblieben ist und weil die Kultur selbst zur Industrie verkam. Aber seien wir ehrlich: wann hat es je massentaugliches Kulturgut gegeben?
„Eine linke Politik würde sich zunächst um eine Neuausrichtung und Erweiterung der politischen Kritik der Staatsgewalt bemühen, wobei diese Kritik sowohl den Krieg als auch jene Formen der legalisierten Gewalt in den Blick zu nehmen hätte, durch welche bestimmte Bevölkerungsgruppen der grundlegenden Ressourcen beraubt werden, die sie zu Minderung ihres prekären Status benötigen.“ (Judith Butler: Raster des Krieges)
Wenn man hier genau hinschaut, spricht Butler genau das aus, was viele derzeit zu bewegen scheint. „Neuausrichtung“. Damit formuliert sie aber anders als es in der rechten Politik der Fall ist, kein Ziel. Sie formuliert damit, dass der Unterschied zwischen links und rechts eben darin besteht, dass in ihrem Bemühen, den Status Quo zu verlassen, das Verändern vor der Veränderung von Bedeutung ist. Es geht um das Aufbrechen und nicht um ein irgendwo ankommen.
Das macht die linke Politik auch so unbefriedigend, weil in erster Instanz bei ihr nicht von Inhalten die Rede ist. Es geht um Umstrukturierungen und Umverteilungen um das Infragestellen von Machtverhältnissen grundsätzlich. Das kann verwechselt werden oder sogar soweit gehen, dass es antidemokratisch wird und vielleicht sogar ununterscheidbar mit der rechten Gewalt.
Rechte Gewalt ist ausschließend und grenzziehend.
Die linke Szene bemüht sich dagegen stets um das einschließende, das allumfassende.
Das alles ist so richtig wie falsch.
Es tut mir leid.
Natürlich gibt es linke Inhalte.
Natürlich gibt es Vorschläge und Vorstöße wie diese Umstrukturierung zu geschehen und wie sie auszusehen habe. Es gibt konkrete Bilder von sozialer Gerechtigkeit und geopolitischer Verantwortung, etc.
Es gibt diese Bilder und über sie wird gestritten und diskutiert.
Bei dem großen Koloss der Linken, Slavoj Zizek liest man hier aber als Antwort das folgende Zynische:
„Was für ein Universum ist das, wo man sich selbst als Gesellschaft der Wahlfreiheit feiert, in welchem jedoch die einzige Option angesichts des erzwungenen demokratischen Konsenses blindes Ausagieren ist? (…) Wie ist es um unsere so hoch gepriesene Wahlfreiheit bestellt, wenn die einzige Wahl, die wir haben, zwischen der Anerkennung der Spielregeln und (selbst-)zerstörerischer Gewalt besteht?“ (Die blutdunkle Flut bricht durch).
Seit 2016 würde ich Zizek antworten, hat die Welt eine neue Alternative gefunden: Regressive Ideologien. Es ist nämlich leichter, sich an eine Zeit zu erinnern, da es Ideologien gab, denn eine neue zu schaffen.