Das erste Date

„Was nimmst du?“, fragte sie.

Und er fragte sich, ob es irgendwo eine alternative Dimension gab, in der er zuerst gefragt hatte.

„Huhn.“, sagte er.

„Bäh.“, meinte sie.

„Bäh?“

„Wegen den Fingern.“

„Dann gibt es hier immer so ein Zitronentuch, das …“

„Findest du nicht, dass Hühnchen immer irgendwie barbarisch aussieht, wenn man es isst. Man zerfetzt es mit den Fingern. Man pult im Fleisch.“

„Stimmt. Jetzt, wo du es sagst, ….“, ein entschuldigendes Lächeln. Er suchte ihr Gesicht ab, ob es darin so etwas wie eine eindeutige Botschaft gab: ‚Sorry, erstes Date nicht bestanden.’ Oder ‚Sorry, try again another time.’

Aber sie lächelte nur und legte die Karte hin. Ihr Finger tanzte über die verschiedenen Menüs.

„Was nimmst du?“, wollte er fragen, aber sie war einfach schneller: „Was wird es jetzt?“

„Salat.“, damit kann man nichts falsch machen. Oder?

Sie kräuselt ihre Stirn und als der Ober kommt, bestellt sie das Steak mit Bratkartoffeln.

Zwei Menschen, die sich über den noch leeren Tisch hinweg anlächeln.

Die Frage beim Lächeln ist immer: wer sieht als erstes verkrampft aus?

„Du hast geschrieben, dass du Psychologie studierst.“

„Ja.“, sagte er.

„Ok. Tu mich.“

„Ich versteh nicht.“

„Tu mich! Analysier mich. Psychologisier mich. Was bin ich für ein Mensch. Na komm schon, das ist witzig.“

Selbstverständlich ist das witzig, dachte er. So witzig, wie wenn ich mir jetzt die Gabel selbst ins Auge reinramme. Nur etwas weniger schmerzhaft vielleicht. Und dann hörte er sich sagen:

„Dafür müsste ich … naja, …“

„Sag schon!“, ihr Amüsement wirkte inzwischen etwas angespannter. Er seufzte.

„Ok. Es gibt da so ein Spiel. Ein Assoziationsspiel. Ich sage etwas, und du sagst das erste, was dir dazu einfällt. Du musst aber ganz schnell antworten.“

„Oh.“, machte sie. „Das klingt wirklich witzig.“

„Ok.“

Dumm nur, wenn einem nichts einfiel. Er kramte in seinem Kopf nach unverfänglichen Sachen und dann sagte er auf einmal:

„Lächeln.“

Und wie aus der Pistole geschossen kam: „Flirten.“

Das lief immerhin nicht vollständig aus dem Ruder, dachte er und atmete tief ein.

„Mutter.“

„Eine ewige Aufpasserin und Perfektionistin. Uhh, da kannst du bestimmt eine Menge draus machen, wie? So etwas wie: An der Mutter versucht sie sich immer zu messen und kann es nie erreichen. Sie steckt sich hohe Ziele und versucht gleichzeitig immer dem ewigen Aufpassen auszuweichen.“

Als der Ober die Weingläser hinstellte, war das singende Geräusch der dünnwandigen Gläser unangenehm laut und sein Lächeln war inzwischen wirklich verkrampft. Er beschloss also, während der Ober zwischen ihnen die Sicht mit dem Ausschenken von Rotwein verdeckte, mit dem Grinsen aufzuhören.

„Weiter!“, sagte sie.

Er beschloss auf „Vater“ zu verzichten und sagte: „Fahrrad.“

„Dämlicher Sattel, der immer Poschmerzen verursacht.“, sie grinste so breit wie Peppermint Patty auf Drogen.

Immerhin sah sie süß dabei aus und ihre Sommersprossen hatten daran keinen unerheblichen Anteil.

„Zeichentrickfilme.“

„Die Simpsons!“, sang sie.

„Bart oder Lisa?“

„Marge.“, und dann zuckte sie selbst zusammen und machte: „Uhhh. Das kommt beim Profi bestimmt nicht gut an.“

Ehe sie weiterreden konnte, sagte er: „Musik.“

Und sie sagte: „Alles, womit man kuscheln kann. Aber Latin zum Sex.“

„Zum Sex?“, echote er und sie schoss direkt hinterher: „Eiswürfel und Wachs.“, sie kicherte etwas heftig und trank einen Schluck Rotwein. Über den Rand hinweg, sah sie ihn an. Ihre Wangen waren gerötet und die Pupillen riesige Löcher.

Was hast du so große Augen?

Dass ich dich besser fressen kann!

Als sie das Glas hinstellte, sagte sie: „Mutterkind oder Vaterkind?“

„Weder noch.“, sagte er.

Er hatte kaum geantwortet, da ging es weiter: „Simpsons oder Southpark?“

Er hörte sich „Peanuts.“, sagen. Und direkt hinterher: „Charly Brown.“

Aber sie war schon bei „Sex beim ersten Date“. Und jetzt war er schon mitten in ‚Brown’ und machte daraus etwas, das wie „Braunt darauf an“ klang, aber viel zu hastig aus seinem Mund hervorgestolpert kam, als dass sie es bestimmt nicht verstand, weil sie „Fahrrad?“, fragte und seine eingemischte Antwort ein vollkommen unverständliches Gebilde formte:

„Braunt dararschschmerzt an“

und er griff hastig nach seinem Glas und fragte sich, was sie unter Latin verstand und wie man zu Latin Sex hatte und ob Sex überhaupt etwas war, was er für ein erstes Date in Betracht zog.

„Hühnchen oder Salat?“, fragte sie süffisant, als er mit glühendem Kopf das Weinglas vorsichtig abstellte.

„Eigentlich Hühnchen.“, flüsterte er.

„Willst du lieber mein Steak?“

„Lieber als den Salat? Eigentlich schon.“

Sie warteten, bis das Essen kam. Dann schob sie ihm den Teller in die Mitte und meinte:

„Können wir noch ein zweites Steakbesteck für meinen Freund haben?“

„Aber sicher.“, versprach der Kellner und sie sagte:

„Meine Mutter hat mich immer vor Psychologen gewarnt. Sie hat immer gemeint, die wären alle verrückt, deshalb kennen sie sich mit Verrückten so gut aus.“

„Ja, das mag sein.“

„Du wirkst eigentlich ganz normal.“

Du nicht, wollte er antworten. Aber er hatte gerade Steak zwischen den Zähnen und sie legte ihre Hand auf seinen Handrücken. Das wollte er jetzt nicht mit irgendwelchen Spielchen ruinieren.

 

Was sagt ihr dazu?