Die Geschichte von Mohammed Wolff war eine höchst eigentümliche. In einem Land unter jenen Bedingungen erzogen, welche dort üblich und gebräuchlich waren, gelangte er zu Überzeugungen, Ansichten und Verhaltensweisen, die ihm höchst normal vorkamen, gleichgültig, wie fern sie uns auch heute und hier erscheinen mögen.
Als die Umstände in seinem Land derart widrig wurden, dass sie ihn zur Entscheidung brachten, in einem anderen Land sein Glück zu versuchen, geriet er ohne es erwartet oder recht begreifen zu können, in eine neue Umwelt, welche nun seine bis dahin stattgefundene Entwicklung höchst negativ beurteilte.
An allen Stellen eckte er nun an und wo zuvor Kultur und Einklang herrschte, erlebte er nun Inakzeptanz und Missklang zwischen sich und dem Neuen. Die neu erlebte Kultur wirkte auf ihn ein wie der Hammer eines Richters. Unter dessen Schlägen vernarbte die anerzogene Kultur, die er rückblickend in Verbindung mit dem erinnerten Antlitz der Eltern als fürsorglich, harmonisch – ja sogar zärtlich, warm und behütend – und es bildete sich ein Panzer aus der in der zivilisatorischen Seele erwachsenen Kälte.
Was alles hätte geschehen können zu jenem Zeitpunkt und vielen anderen zu Teil wurde, deren Biografie der eigenen ähnelte, wurde in seinem Falle abgelenkt in ein höchst eigentümliches Grübeln.
Von einer Frau in einer Zeltstadt im Herzen Europas des Lesens befähigt, von einem gutmütigen Pastor, der kurz vor dem Erblinden stand, mit einer kleinen, aber feinen Bibliothek konfrontiert, geriet in die trockenen, vernutzten Hände des Treibguts Wolff ein Buch. Es war Schiller, tatsächlich. Jener, der als deutscher Nationaldichter galt. Dessen Worte ein jeder Deutsche auswendig kannte. Der einst das liberale Gewissen des Volkes gewesen war.
Und Wolff las, der Mensch sei ein Mensch.
Ein Produkt seiner verdammten Umwelt.
Schon immer.
Er las: in der ganzen Geschichte des Menschen ist kein Kapitel unterrichtender für Herz und Geist als die Annalen seiner Verirrungen.
Und weinte.