Heiterkeit – Essay

Wir sollten uns über Heiterkeit unterhalten.

Einmal ausnahmsweise in dieser Zeit über etwas Schönes reden. Über dieses Gefühl von Wohlwollen.

Die beste Methode, das Leben angenehm zu verbringen, ist, guten Kaffee zu trinken. Das sagte schon Jonathan Swift, dieser wundersame Edelmann, der seinen Gulliver auf Reisen schickte, die Zeitumstände zu karikieren. Und wenn man keinen haben kann – also Kaffee – so soll man versuchen, so heiter und gelassen zu sein, als hätte man guten Kaffee getrunken.

Heiterkeit ist ein Zustand der gleichermaßen viel mit innerer Ruhe aber zugleich auch innerer Lebhaftigkeit zu tun hat. Mit Ruhe deshalb, weil Heiterkeit viel mit dem zu tun hat, was Aristoteles Glückseligkeit nennt, dieses große Ziel, worauf all unser Handeln ausgerichtet ist.

Glück wählt kein Mensch um einer anderen Sache Willen, so wie zum Beispiel Geld. Glück wählt man um seiner selbst Willen. Es ist eine Sache, die an sich gut ist. Niemand sagt: „Ich möchte glücklich sein, um zu …“ oder „…damit ich …“, usf.

Von daher ist jede Bewegung unserer Seele und unseres Handelns, also schlichtweg jede Regung unseres Lebens ausgerichtet auf diesen Ruhepol. Heiterkeit gehört zu Glück dazu. Denn wir können nur heiter sein, wenn wir glücklich sind. Es entspringt daher die Heiterkeit einer gewissen Seelenruhe, derer wir uns gewiss sein können.

Und ich wage zu behaupten, Seelenruhe kann auch durch die Heiterkeit stimuliert werden.

Es gibt unzählige Bücher, deren ich persönlich grundsätzlich mit großer Skepsis gegenüberstehe, in welchen uns beigebracht werden soll, nicht zu träumen, sondern zu leben. Heiterkeit kann trainiert werden, versprechen die Buchtitel. Glücklichsein, das kann angeleitet werden. Und zwar nicht ethisch, rational analysiert, sondern ethisch im Sinne von Lebenspraktisch.

Nennen wir die Heiterkeit doch einmal anders. Nennen wir sie Selbstgenügsamkeit. Sich selbst genügen, mit sich im Reinen sein. Mit dem Wenigen, das man besitzt – denn man besitzt bei allem Optimismus auf dieser großen weiten Welt immer „wenig“ – zufrieden sein. Die Überzeugung haben, dass das Notwendige leicht zu beschaffen, das Sinnlose immer schwer zu erlangen ist. Und dann die logische Konsequenz ziehen, dass wir in unserem jetzigen Augenblick zu leben verstehen. Savoire vivre.

In Saarbrücken gibt es einen netten, kleinen locus amoenus. Ein gar nicht so verstecktes Plätzchen, den St. Johanner Markt, auf welchem schon bei geringstem Sonnenschein, die Gaststätten ihre Tische draußen aufräumen. Und die Gäste sich im wahrstein Sinne des Wortes ‚bequemen’. Man sitzt bei- und nebeneinander. Umeinander und voreinander. Man trinkt gemütlich einen Kaffee, einen Tee, ein Bierchen, einen Sekt. Und man bewundert die ersten Sonnenstrahlen des Jahres, des Tages. Man genießt die Luft und man ‚weiß zu leben’. Und das auf eine Art, die anderswo schwerfällt.

Die Ruhe der Heiterkeit ist auf diesem Platz genauso spürbar wie deren Erregtheit.

„Glücklich kann“, sagt Seneca, „derjenige genannt werden, der, von der Vernunft geleitet, nichts mehr wünscht und nichts mehr fürchtet.“

Und in diesem Zustand ist es, als ob eine innere Spieluhr aufgezogen wird. Ein heimlicher Mechanismus, der uns allen innewohnt und der uns neue Triebkraft verspricht. Nicht eine solche Art der Anspannung, dass uns im nächsten Augenblick an den Nerven zehrt und uns auszubrennen droht. Sondern eine Regung, die unsere Seele für Bereiche aktiviert und sensibilisiert, die man den Müßiggang nennen mag, In Wahrheit sind es die süßen Schäferstündchen, die Quelle von Kreativität und der Ursprung von Humanität. Die Heimstätte von Musen. Die Kulturszene in Saarbrücken ist reicher und lebhafter als in so mancher Industriestadt in Deutschland, wo lediglich für das Notwendige gesorgt wird, nicht aber für die sanfte Heiterkeit.

Für das Zuruhekommen, das Innehalten – ich weiß, man wird mir antworten, diese Sphären hätten früher die Religion inne und man könne so viel reparieren, wenn nur die Religion wieder der Ort der Besinnung wäre – für das Zuruhekommen wird kaum noch Platz geboten. Heiterkeit wird vielerseits nur noch im Kombination auf dem Weg der Asphaltheiterkeit zelebriert, also herbeigeführt durch Rauschmittel. Das ist keine echte Heiterkeit, es ist ein Anästhetikum. (Wer sich betäubt wird auch ruhig.)

Und wo dieser Freiplatz für die Gemüter nicht ist, da kann auch keine schöne Spieluhr aufgezogen werden, statt dessen werden Räder im Innern bewegt, die das größere Vergnügen am Zerstören haben. Statt Heiterkeit stellt sich Frustration ein. Statt Humor Sarkasmus.

Es ist bemerkenswert wie groß zu Zeiten der Verkaufserfolg von praktischen Anleitungsbüchern war. Und dass dies nun endgültig abgewechselt zu haben scheint mit Jammer- und Beschwerdeliteratur. Mit Pamphleten von Abschaffungen und Vernichtungen, Feuer und Zorn, Hass und Angst und Schrecken und Elend. Es ist bemerkenswert, dass nirgendwo konstruktive Vorschläge mehr gemacht werden, sondern nur noch Zustandsanalysen und Befürchtungsinterpretationen à la „und wenn wir nicht bald“ oder „sonst ist es zu spät“.

Die wahre Heiterkeit wird heute sogar entwertschätzt.

Sie wird mit Naivität, Blindheit oder Arroganz assoziiert.

Ihr wird das ihr wesenhaft Zukommende gar als Beleidigung ausgesogen: das Gute.

Der Gutmensch ist der, der seine Zeit nicht zur Zerstörung nutzt, sich nicht damit abfindet, seinen eigenen Frust zu zelebrieren. Der Gutmensch, der Schutzpatron der Heiterkeit, ist der Entspannte in einer Zeit eitriger Anspannung.

Heiterkeit in dieser Tage der Eiterzeit: wir sollten uns mal wieder über sie unterhalten. Einmal ausnahmsweise in dieser Zeit über etwas Schönes reden. Über dieses Gefühl von Wohlwollen.

 

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