Ich werde dir sagen

Manchmal, mein Schatz,
manchmal will ich dir sagen, aber dann
nein!
Ich kann nicht, werde nicht,
weil die Worte, die ich wählen würde
wirst du, ich weiß es, spür es, ahn es,
wirst du drehn und nicht verstehn,
nicht so, wie ich es mein.
Manchmal will ich dir nicht sagen, ich will
Dir zeigen, was ich meine,
dir offenlegen, was ich fühle.

Manchmal, mein Schatz,
manchmal will ich dir sagen, aber dann
nein!
Rückt ein Stück Realität ins Bild
Gerade weit genug, um mir dieses eine Wort
Nicht zu dir passen zu lassen.
Als ob das Puzzle, das Rätsel, das du bist
Sich verschiebt, die Lücke sich weitet
Die Lücke sich schließt
Und mein Wort, das passen sollte
Sich nicht verbiegt.
Ich zeige auf diese Verschiebung,
zeige in diese Lücke, deren Form sich
vor unseren Augen verändert aber dann
ist die Veränderung so klein,
so marginal und so fein,
dass du es gerade nicht siehst und ich denk:
nein!
Wie wirst du dann mein Wort verstehen können,
wenn du nicht einmal die Lücke sich
verschieben siehst.

Manchmal, mein Schatz,
manchmal will ich dir sagen, aber dann
nein!
Drehen Fakten sich gerade weltweit um
Und werden zu Meinungen,
Deinungen, Seinungen,
Scheinungen, Er-Scheinungen, die
So viel Bestand haben wie
Fatamorganen im schummrigen
Schein, flackernder Wüstenweiten
Ich will nicht der sein, der
Mit dem einen Wort in der Hand
Gebündelt und geschnürt wie der
Blumenstrauß, der nur für dich bestimmt ist,
Mit diesem Wortstrauß durch die Wüste rennt
Ein Trugbild jagt,
Indem er das Wort immer wieder und wieder
Sagt, als wär es dein Name,
dein Name,
dein Name.

Manchmal, mein Schatz,
manchmal will ich dir sagen, ich will, aber dann,
aber dann Nein! Nein!
Da ist dieser Blick,
dieser mich ausbremsende Atemzug,
dieses Näherkommen von
unfassbarer Realität,
die mich im Griff hat, im Würgegriff,
Wortabschneidend, Halsabschneidend,
Kopf und Kragen, die ich nicht
Unter Wortwindungen verlieren möchte
Wovon ich mich dagegen lösen möchte,
das, was mir im Bildungsweg zwischen
Brustherz und Hirnstamm und Zungenmund
Steckenbleibt, mich schlucken lässt,
weil, einmal gebildet,
mich meinen lässt, es sagen zu müssen,
dir vor die Füße zu legen,
Wovon ich mich trennen will,
will nicht los, nein.

Manchmal, mein Schatz,
manchmal sag ich‘s dann doch,
würge vor, trenne mich vom Wort,
dem unpassenden.
Streue es aus
Wie Salz auf Eis
Wie Desinfektionsmittel auf Wunden
Und seh, wie die glatt gewordene
Zwischenwelt zwischen uns
Rau wird und stumpf
Wie es anfängt zu brennen, um
Uns von allem zu heilen, was
Uns füreinander brennen ließ
Feuer mit Feuer bekämpfen
Werte mit Worten.
Bis das Wort zwischen uns steht
Uns voneinander trennt
Mich zum Verursacher macht
Dich zur Verliererin.
Das Wort, Teil einer Keil-
-schriftsprache,
die Unaussprechlich
zur Muttersprache
macht.

Was sagt ihr dazu?