Im Stockwerk über mir wohnt Gott – achter Teil: Frauen

Meine liebe Haerzenswort, gemeinsam verfolgen wir die nicht wirklich ernst zu nehmenden Gespräche mit unserem bizarren Hausgenossen nun schon seit 8 Runden. Noch lange ist kein Ende in Sicht. Hoffentlich bereiten seine Dialoge der getreuen Leserschaft genau so viel Vergnügen wie uns. Wohlan, eine neue Runde, eine neue Wahnsinnsfahrt, denn … 

… im Stockwerk über mir wohnt Gott. Er heißt Woziak. Eigentlich sieht er gar nicht wie Gott aus, sondern wie eine abgemagerte Version von Karl Marx. Die meiste Zeit trägt er grobe Rippunterhemden und dunkelblaue Jogginghosen. Er hat eine brummige Stimme und riecht wie ein Schnapsladen.

Wir treffen uns eigentlich immer nur im Treppenhaus. Meistens in der Kehrwoche. Ich habe schon versucht, ihm auszuweichen. Das würde ich als eine natürliche Reaktion bezeichnen. Aber wenn einer es drauf anlegt, dir über den Weg zu laufen, dann schafft der das auch.

„Kannst du mir mal deine Frau ausleihen?“, fragt er. Und hält sich mit wackligen Beinen am Geländer fest.

„Klar doch.“, sag ich. „Nenn mir nur den passenden Tag.“

„Ich mein das schon ernst.“, sagt er. Und das ist das erste Mal, dass Woziak Ironie von mir auch als solche begreift.

Ich seh ihn an.

„Ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Ich meine, das hast du jetzt nicht wirklich gefragt?!“

„Tu nicht so, als ob du sie 24 Stunden lang brauchen würdest.“

„Aber du brauchst sie? Darf ich frage, wofür?“

„Ich denk manchmal so drüber nach und dann fällt mir auf, dass ich schon lange nicht mehr mit einer Frau gesprochen hab. Ich meine so richtig gesprochen. Nicht so wie mit dir.“

„Aha.“, sag ich. „Du willst mit einer Frau reden? Mit meiner Frau.“

„Frauen sind anders als Männer. Die denken ganz anders.“

„Fängt das jetzt schon wieder an mit den kalten Füßen und dem kalten Gehirn. Als ich das nämlich letztens meiner Frau erzählte, hat sie einen Eindruck von dir bekommen, weißt du, der nicht grad positiv ist.“

Die Wahrheit war: sie hatte gelacht. Schallend, lang und laut und dann hat sie mir über den Kopf gewuschelt und einfach nur „Hach“ gesagt und ist gegangen. Keine Ahnung, was sie aus meinen Woziak-Geschichten so macht. Frauen denken nämlich tatsächlich ganz anders als Männer. Zumindest ist das bei uns so. Richtig müsste der Satz lauten: meine Frau denkt ganz anders als ich.

„Männer haben so einen Tunnelblick. Du kannst unfassbar weit sehen, wie so ein Scheinwerfer weit. Du siehst beim Autofahren in den Rückspiegel und weißt genau, ob der da hinten auf der Überholspur zu schnell angerast kommt, oder ob es noch zum Überholen passt. Frauen haben eher so eine breite Wahrnehmung. Du kennst das bestimmt, wenn du am Schrank stehst und minutenlang alles nach deinem gelben Schal absuchst. Du gehst nach unten in die Knie, wieder hoch, einen Schritt zur Seite, nach links nach rechts“ – Woziak macht die Bewegungen übrigens alle mit, so als stünde er vor dem Schrank und als könnte ich mir nicht vorstellen, was er meint. Es ist sehr komisch, wie er da im Treppenhaus rumhampelt. Er erinnert mich an eine traurige, dicke Ballerina. „Und dann, wenn du grade denkst, der Schal ist nicht da, dann kommt deine Frau, stellt sich eine halbe Sekunde lang vor den Schrank und zieht dir den Schal raus. Kennst du bestimmt, oder?“

„Nein.“, lüge ich.

„Frauen haben einen umfassenden Blick. Du gehst in ein Restaurant und sie kann dir mit nur einem Blick sagen, welcher Tisch frei ist, wo man am ehesten im Durchzug sitzt, wer das skandalöseste Kleidungsstück anhat, wer hässlich ist, wo man Blickkontakt hat mit dem, der am unappetitlichsten isst …“

„Lass mich raten“, unterbreche ich ihn. „Wir Männer wissen sofort, wo die Bar ist und wo die Toilette.“

„Und Flucht- und Rettungswege.“, ruft er. „Man hat da eine Studie gemach tund Männer wissen immer, wo die Flucht- und Rettungswege sind.“

„So ein Schwachsinn.“

„Ach ja?!“, macht er mit hochrotem Kopf.

„Ach ja.“, sage ich ganz ruhig. „Wenn ich das immer wüsste, dann hätte ich den jetzt zum Beispiel schon längst genommen.“

„Frauen sind lyrisch, Männer prosaisch.“

„Oh mein Gott. Er macht weiter.“, sage ich, wende mich ab und fahre fort, das Treppenhaus zu putzen.

Er macht wirklich weiter.

„Frauen sind vielschichtiger. Und Kommunikativer. Weißt du, was Frauen machen, wenn sie dir zeigen wollen, dass sie dich mögen?“

„Nein, aber ich fürchte, du wirst es mir sagen. Hab ich Recht?“

„Sie lachen.“

„Sie lachen?“

„Sie lachen. Frauenhumor ist immer auf miteinander gemünzt. Beobachte mal deine Frau beim Telefonieren. Die andere sagt einfach nur: ‚Hach, was ein schöner Tag.’ Und deine Frau lacht einfach nur und sagt: ‚Ja, das stimmt.’ Kennst du das?“

„Nein.“, lüge ich.

„Männer lachen nur übereinander. Da geht es ums Degradieren. Ständig: ‚Ich bin besser als du, Muahahaha.’“

„Du musst dich ja nicht mit anderen Männern vergleichen.“, schlage ich vor.

„Frauen sind harmoniesüchtig, kommunikativ und“, er bricht ab, denkt kurz nach. „hab ich dir das mit dem Weitblick und dem Breitenblick schon erzählt?“

„Das war die Sache mit dem Autofahren und dem gelben Schal, richtig?“

„Achja.“, brummt er. Ich mustere ihn. Er wirkt heute irgendwie anders, fällt mir gerade auf. Vielleicht hat er zehn Flaschen mehr intus als sonst.

„Hör mal“, frage ich jetzt etwas sanfter. „Geht es dir gut?“

„Ich bräuchte mal ganz ehrlich deine Frau.“

„Ok.“, sage ich resigniert. „Aber du hast mir immer noch nicht gesagt, wozu. Du hast mir so viele Geschlechterklischees um die Ohren gehauen, dass mir fast schwindlig wird, aber -“

„Keine Klischees. Das ist in der Blaupause damals so drin gewesen. Glaub mir ja nicht, dass Noah das mit dem Schiff alleine geschafft hat damals. Er war der Handwerker, aber die Organisatorin, das war seine Frau … verdammt, wie hieß die doch gleich noch mal? Egal. Die hat ihm den Zeitplan gemacht, die hat sich um die Einladungen für die Tiere gekümmert. Die hat auch den Familienkalender erfunden, den mit den vielen Spalten, und ihn neben den Eingang des Schiffs genagelt, damit Noah ihn jeden Morgen sehen kann.“

„Oh Mann.“, sage ich und verdrehe die Augen, weil der Alte einfach nur wieder spinnt. Ich weiß gar nicht, wieso es ihm wieder gelungen war, mich für ihn einzunehmen. Jetzt legt er mir die Hand auf die Schulter.

„Und sie hat auch dafür gesorgt, dass es heutzutage keine Nagelbeißlinge mehr gibt. Ich fand die ja immer ganz nett, wie sie so an den Zehen von Kindern geknabbert haben und ihr niedliches Fell in der Sonne geglitzert hat. Aber einer von denen hat Noahs Weib mal versehentlich in die Wade gebissen und wenn Frauen sonst auch so toll sind, sie vergessen halt nie. Lieber dreihundert Raubtiersorten als auch nur ein Nagelbeißlingpärchen.“

„Woziak!“, sage ich übertrieben feierlich und folge seiner Körperhaltung. Wir stehen jetzt also im Hausflur, beide die Hände auf den Schultern des anderen. Man könnte uns in Stein meißeln und in Russland auf einen Sockel stellen, so brüderlich sehen wir aus.

„Woziak, mein lieber Freund.“, sage ich laut und feierlich.

„Ja?“

„Du bekommst meine Frau natürlich nicht!“, verkünde ich. „Nicht für eine Sekunde. Und weißt du wieso? Weil ich sie liebe! Und ich möchte sie so lange es geht, von Menschen wie dir fernhalten.“

„Das hast du schön gesagt.“, sagt Woziak. Er sieht nur halb so betrübt aus, wie ich es mir erwartet hatte.

Er dreht sich um und geht wieder nach oben.

„Wollte ja nur mein schlechtes Gewissen beruhigen.“, sagt er.

„Was soll das denn schon wieder heißen?“, rufe ich hoch.

„Na, sie sitzt schon oben bei mir und wir trinken heiße Schokolade. Sie zeigt mir Kinderbilder von dir – so ein gelbes Album – und ich hab ihr versprochen, dass ich dir sage, wo sie ist. Damit du sie nicht vermisst.“

Ich starre ihm mit offenem Mund hinterher.

„Mein Gott, Woziak!“

Ich weiß nicht, warum man mit dem Irren nicht richtig reden kann.

Ein Teil verpasst? Kein Problem. Mehr Woziak gibt es hier:
Erster Teil: Warum Frauen immer kalte Füße haben 
Zweiter Teil: Warum der Regen heutzutage trocken ist
Dritter Teil : Spartaner und Barbaren
Vierter Teil: Bonobos rechtfertigen sich auch nicht
Fünfter Teil: Für mehr fußgängerfreie Zonen
Sechster Teil: Mission Impossible

Siebter Teil: Warum Woziak trinkt 

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