Papierflieger: (2) – geschlossene Augen, geöffnete Sinne

Sie drehte sich zu ihm um.

Ihre Hände glitten in seinen Nacken und ihm kam wieder das erste in den Sinn,was er damals bei ihrem Anblick gedacht hatte: Mit welchen Worten kann man diese Haare beschreiben? Die sanft fließende Bewegung ihrer Haare bei jedem Schritt. Dieses flüssige Hin- und Her. Ein elegantes Gleiten, bei dem das Licht über den Haarglanz in Wellen tanzte.

Jetzt wußte er es, jetzt. Als sie sich ganz langsam näherte. Als ihre Hände seinen Kopf ganz bestimmt zu sich herab zog. Ihre Lippen nur ein Atemhauch von seinen entfernt. Als er von ihrer Nähe umschlungen wurde. Das treffende Wort. Es war


Wintermüde

Cleo war tatsächlich mal eingeschneit gewesen. Und das in einem alten Auto mitten auf dem Feld. Seitdem wusste er: Schnee hat einen ganz speziellen Klang. Man sagt ja auch „klirrende Kälte“. Auch wenn das nur halbwegs der Wahrheit entsprach.

Der einzige, der den Klang des Winters je eingefangen und perfekt zum Ausdruck gebracht hatte, war Vivaldi.

Wenn die ersten dunklen Violinstreiche des Winters ertönten, lief es Cleo kalt den Rücken herunter.

Vivaldi, sagte Cleo, kannte den Winter. Vielleicht war er auch mal im Winter in einer Kutsche ringeschneit gewesen, also: Vivaldi.

Und vielleicht wusste Vivaldi genau wie Cleo, wie sehr dieser Winterklang einen müde machen konnte. Wie ein Schlaflied.

Cleo schloss die Augen.

Er hätte am liebsten den ganzen Winter über durchgeschlafen.

Auch wenn es seit Jahren nicht mehr geschneit hatte.


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