Das erste Flattern

Für S.

Aborigines glauben an eine besondere Bedeutung des Ortes für das Baby, an dem das erste Flattern auftritt.

Das erste Zeichen, das ein neues Leben von sich gibt: ein Muskelzucken in der Bauchgegend; ein vages Gefühl der Verunsicherung, ob das jetzt schon ein Leben ist, oder ob da nur Nerven zucken. Feinfühlig ist man geworden bis zur Unerträglichkeit. Und aus dem hintersten Winkel des Kopfes wälzt sich der Gedanke vor, dass man zu einer Art von Eltern zu werden droht, die hinter jedem Kribbeln das Außergewöhnliche vermutet.

Die Magie des Augenblicks mag man in der Regel vor allem dann wahrnehmen, wenn man sich rein auf die Gefühle einlässt und den Verstand vollkommen ausschaltet. Aber das ist etwas, was wir nicht können. So sind wir nicht gepolt. Trotzdem leuchteten ihre Augen, während ihre Hand sich auf die Seite des Bauches legte und sie senkte verschämt den Kopf, senkte die Stimme und meinte: da zuckt was.

Gerade eben noch, waren wir beim Arzt gewesen. Und mir waren gerade eben schon die warnenden Stimmen im Kopf umgegangen, Ultraschall sei für ein Embryo wie ein Kurztripp unter die Düsen eines startenden Flugzeugs: einfach nur laut.

Und dann waren wir sofort mit dem dröhnenden, röhrenden, knatternden und springenden 3er Golf von L* nach M* gefahren, geradewegs in die Tiefgarage beim Kino, zu Fuß mit hastigen Schritten die paar Straßen hinter uns gebracht, um rechtzeitig zum wöchentlichen Tanzkurs zu kommen. Und dann standen wir da, am Rand der Tanzfläche und der Bauch zuckte.

„Ich weiß es nicht.“, sagte sie.

„Was weißt du nicht?“

„Ob er’s ist.“

Er. Wir drehten uns über die Tanzfläche. Die bunten Lichtkegel liefen um uns herum.

Sie schmiegte ihren Kopf an meine Schulter.

Die Welt drehte sich.

Wir hatten die Augen geschlossen. Unsere Füße folgten dem Takt. Die Hände in einander verschränkt.

Der Augenblick, der nur uns gehörte. Und den ich dem Kind schenken wollte, das uns bald ergänzen würde. Es war unser erster Augenblick in Gemeinsamkeit.

Was sagt ihr dazu?