Wir werden uns sehnen

Wir werden uns sehnen
Nach Liedern von überfüllten Plätzen
In denen wir all unsere Schatten kreuzten
Uns in ein Ineinander drängten
Uns aneinander hängten
Unsere Ichs in einem Wir verloren
Und uns geborgen fühlten
im Bedürfnis,
endlich wieder allein zu sein.

Wie unsere Horizonte
die Schultern anderer Menschen waren
unsere Rücken die Skyline
für hinter uns Stehende bildeten
Und wenn wir den Kopf in den Nacken legten
Um einen Blick auf die Sterne zu heften,
verloren wir nacheinander den Halt
unter den Füßen
und wünschten uns
wieder nach Hause.

Wir werden davon träumen,
uns wieder gegenseitig anzukotzen,
denn wenn man immer nur mit sich selbst zu tun hat,
hat man einfach keinen Spaß mehr daran,
nur mit den eigenen Fehlern zu leben.
Darum brüllen wir beim ersten Kontakt
Gleich den Fremden ins Gesicht,
wie Anders – und damit meint man dann hässlich –
die anderen sind.

Wie unser Spiegelbild jeden Tag
Uns neue Hässlichkeiten pariert,
weil es bis dato einfach nicht passiert
ist, dass wir so viel Zeit hatten,
uns selbst ganz genau zu betrachten.
Irgendwann ist Netflix zu Ende geschaut
Und das letzte Drama, das uns dann noch geboten wird
Bleiben wir selbst.
Kein Wunder, dass wir die Fernbedienungen
Auf die Spiegel richten
Und uns lauter stellen und lauter und lauter,
bis unser Gebrüll laut genug ist,
das Bild zu bedecken.

Wir werden davon singen,
wie wir untergingen.
Nebeneinander standen,
Jeder mit sich allein.
Den Anblick des Fremden noch weniger
Ertrugen als uns
Wie wir brüllten
Immer wieder umeinander herum
Tausend ineinander verschrobene Leiber
Aufgerissene Mäuler
Aufgerissene Seelen
Vom Gedankenmüll umwickelt,
den wir aus unseren tiefsten
Schmerzdeponien in
Quarantänezeiten geschürft hatten.

Wie wir uns fühlen werden
Als ob wir endlich wahrhaftig geworden sind,
In dieser Surealität Realität gefunden haben,
Als ob wir auf freien Plätzen ständen,
die uns wie Labyrinthe vorkommen,
weit, weit entfernte Horizonte,
die wir uns nah wie Schultern vorstellen
zu denen wir uns hin beugen,
um an ihnen zu weinen.

Wer sich dann an die Entfernung anlehnt,
um Trost zu finden,
fällt in der Abgründe tiefste Schlucht.
Sie landen weich
Auf der Türmung all der bereits Gestürzten.
Ein Müllberg aus Stille.
Die sich sehnt
Nach Liedern.!

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