Ich lebe im Land, da kein Kompass mehr Schuld und Sühne wiegt
In einem Land, da selbst die Lüge mit der Kraft
Von tausend Dezibelladonnen siegt.
Ich lebe in einer Stadt, in der die Straßen nach totgesagten Utopien benannt sind
Und Plätze, dystopisch kahlgefegt, mit apolitischen Demonstrationen
Den Weg in die menschlichen Abgründe flankiert
Ich lebe in einem Viertel, worin die Zeit nach Missgunst und Eitelkeit zeigt,
Ein Viertel ohne Gnade, wo man im im Außenwinkel patrouilliert
Ein Viertel, das sich deutschlandweit rassistischen Alternativparolen zuneigt
(und vielerorts die Moral gemeinsam mit Würde und Tugend verliert)
Ich lebe in einem Wohnblock aus sozialer Unbildung und pflegebedürftigen Geisteskrankheiten,
Ein Block, der so unterbezahlt ist, weil gewinnmaximiert nur Spitzenpolitik-
statt Fundamentalsanierung krassiert.
Ich lebe in einem Flur, vollgestopft mit Individualproblemen
allesamt in Aldiplastiktüten gemeinsam mit Rentenpfandflaschen gestopft,
Einzelgeschichten, die unter der Last ächzen, die aus kostspielig reparaturbedürftigen Drittweltwasserhähnen ins Sintflutbecken tropft.
Ich lebe zwischen Millenial-Nachbarn, die nicht mehr vorurteilen sondern wissen
sich betten auf mit altmodischen Facebooksprüchen gestickten Kissen
Ich lebe zwischen Nachbarn, die die gleiche Sprache sprechen – aber nicht die selbe
Und die sich nur dafür hassen, weil andere Nachbarn sagen, dass sie sich hassen müssen.
Ich lebe in einer Wohnung unter dem Treibhauseffekt,
mit zugemauerten Fenstern, wohinter die Welt sich vor meinem Leben versteckt
Ich lebe in einer Sofalandschaft aus Ikea-Katalogen
und schwelge im Augenblick, mich selbst befindlichkeitsfixiert um
eben diesen gelebten Augenblick betrogen.
Ich lebe in einem Wort, das die Vergangenheit über mich gebrochen hat
gezeichnet auf einem Stück Knochen, das mir eine Hand in die Luft geworfen hat
Ich lebe in einer Silbe, einem Atemzug, einem Sekundennichts
Ich lebe in einem Schweigen, einen augenblicklang, wer weiß, vielleicht leb ich auch nicht.
Ich lebe virtuell, damit ich mich selbst gebären kann,
immer wieder ohne Geburtsschmerzen muss ich schreien,
denn nur wer registriert wird, kann auch Da-sein, dann und wann.
Ich lebe in einer Welt, die sich von sich selbst entfremdet
folgelogisch dreht sich die Welt ab von der Sonne,
weil Erkenntnis seit jeher die Selbstachtung blendet.
Gut beschrieben diese traurige Erkenntnis. Ich frage mich, wie lange das alles noch so weiter geht bis es kippt….
🙁 Ich auch )-: