Die Wissenskrise – Essay

Rein deskriptiv: die Flut an Wissen macht nicht klüger sondern dümmer. Die Zensur macht stiller, aber zorniger.

So war es früher.

Heute entsteht eine durch Algorithmen geschaffene Äquivalenz zur Zensur. Die Masseninformation unterdrückt die wahrhafte Einzelinformation. Das überfordert und macht stumm. Der Zorn, der entsteht wird durch die Algorithmitisierung der Informationsportale exponenziell gesteigert:

Die Presse generiert längst keine Informationsblätter mehr, sie generiert Leser, weil sich nicht mehr durch Absatzzahlen unmittelbar Geld verdienen lässt. Geld wird erst durch Werbung eingenommen, je mehr Leser, desto teurer die Werbung.

In diesem Sinn ist nirgendwo die Wahrheit interessant, das Bilden der Leser, sondern die Bestätigung: nur wer das schreibt, was alle lesen wollen, vermittelt das Gefühl von Sicherheit. Das heißt: in unübersichtlichen Zeiten, in denen jeder über seine eigene Angst bestätigt werden will, findet man nur angstschüremdes, der Zorn wächst mit der Angst.

Absurderweise gibt es dann einen folgenden Augenblick, worin die Stimmung kippt: wird die eigene Angst so groß und ohne Aussicht auf Besserung, erkennt das Volk unbewusst die Quelle. Doch es hat verlernt zu reflektieren. Die Medien selbst haben es ihrem Publikum abtrainiert: das eigene Publikum wendet sich von den Medien ab. „Lügenpresse“ nennt sie, was eigentlich: „Feigheitspresse“ genannt werden sollte.

Es ist nämlich eben nicht so, dass Lügen im eigentlichen Sinn über den Markt hereingebrochen sind, es sind eben nur einseitige Perspektiven – eine ganz eigene Art des Lügens, das selbst nicht mehr „Lüge“ genannt werden sollte.

Dann geschieht unweigerlich das Gefährliche: aus dem Schatten bricht etwas hervor, die Regeln des Marktes befolgend, dem neuen Zorneszeitgeist folgend, erscheint die als Alternative propagierte Version wahrhaftiger als die Wahrheit. Und damit baut sie auf dem Fundament der Moderne, in der es hieß, es gebe keine eindeutige Wahrheit, alles sei relativ, sei lediglich Perspektive.

Die Krise des Subjektivismus ist überwunden, jetzt wird dieser als Werkzeug genutzt. Ähnlich einer Brechstange. Grob. Aber wirkungsvoll und ausgesprochen beeindruckend – oder eindrücklich – wie alles, was zerstört.

Was sagt ihr dazu?