(1)
Frau Göring stieg in den Kühlschrank.
Tom sah es nicht ein, die Katze dabei aufzuhalten. Seit Miriam vergessen hatte, den Kühlschrank zu schließen, starrte Tom auf das Möbelstück, das seine Kälte in die Küche hinausdampfte. Die Hitze heute war wirklich unerträglich. Es drückte so stark auf den Brustkorb, dass man kaum atmen konnte. Der kleine Tischventilator wälzte träge die Luft hin und her. Kaum wirkungsvoll. Der Kater immerhin grunzte träge, fläzte sich zwischen den holländischen Pudding und die dänische Butter. Er streckte die Pfoten wie zum Test nach draußen, spannte die Krallen an und schnaubte wieder.
Tom wagte es nicht mal seine Füße zu bewegen. Das Wasser, in dem die Füße standen, war inzwischen auch brühwarm. Aber die Linie, die eine Linie, an der das Wasser endete und die Luft begann, fühlte sich tatsächlich etwas kühl an.
Tom legte den Stift zur Seite und drehte den Kopf zum Fenster. Er seufzte.
Auf dem Tisch lag die begonnene Zeichnung. Er hätte die Katze im Kühlschrank gern gemalt. Aber ohne die Hitze, die über der Stadt schwebte, ergab das Motiv keinen Sinn.
Langsam schloss er die Augen und versuchte sich vorzustellen, wie es jetzt wäre, Katze zu sein. Eine Katze im Kühlschrank.
(2)
„Halt mal die Luft an.“, sagte Vic.
„Welche Luft?“
Vic meinte den Ventilator. Sam zwang sich dazu, sich aus dem Sofa auf die Beine zu hieven. Für die drei Schritte brauchte er innere Überwindung, Kraft und gefühlt zwei Liter Schweiß. Ihm klebte das rote Shirt an der Brust. Aber Ausziehen kam nicht in Frage. Ja, wenn er allein gewesen wäre vielleicht. Aber so …!
Vic drückte auf eine Fernbedienung. „Merkt man schon was?“
Sam schloss die Augen und konzentrierte sich. Die neue Klimaanlage von Vic summte wenigstens. Der Ventilator machte vor allem Krach und schob einfach nur warme Luft von links nach rechts. Das neue System dagegen versprach laut Verpackung „polarfrische selbst bei Klimakatastrophen und unerwarteten Wetterwendungen“.
Sam konnte sich selbst riechen. Die Hitze war der natürliche Feind eines Mannes, der so dick war wie Sam. Es gab nicht mal Schatten, die groß genug waren, ihn komplett zu beherbergen.
„Merkt man was?“, wiederholte Vic seine Frage. Er war gereizt. Bei diesen Temperaturen zu arbeiten verstieß gegen die Genfer Menschenrechtskonvention.
„Nix. Sollte ein Luftstrom von da oben kommen, nicht wahr?“
Resigniert ließ Vic sich in das Sofa fallen. „Ich habs auf ultrakalt gestellt. Polarkatastrophe.“
„Katastrophe ist es ja.“, tröstete Sam.
„Mach die Luft wieder an.“, sagte Vic.
Sam knipste den nutzlosen Ventilator wieder an, wälzte sich zurück auf die Couch und als er sich in die Polster fallen ließ, jaulte es auf einmal in der Decke auf und nach einem kurzen Schwall, eiskalter Luft, begann es in Vics viel zu stickigen Wohnzimmer zu schneien. Die weißen Flocken kamen aus den neuen Lüftungsschlitzen geschossen. Sie rochen nach Styropor.
„Was ein scheiß Sommer.“, sagte Vic, dem der alte Ventilator die Styroporkügelchen der neuen Klimaanlage auf die verschwitzte, nackte Brust wehte.