Schritte 2.0

Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann dass es aufhört.

Wir stehen nicht auf den Schultern von Riesen, wir stehen auf den Füßen von gewaltigen Dämonen. Und ihre Schritte sind so unbarmherzig wie sie groß und ausladend sind. Wir sind schon seit Jahrhunderten unterwegs. Und es vergeht kein Tag, an dem es sich nicht furchtbar anfühlt. Die Landschaft ist atemberaubend kahl und vernichtet. Selbst in der sensibelsten Seele würde dieses karge Ödland um uns herum nichts als Lethargie auslösen. Es war ein verkrustetes Land. Das Salz hatte die Herrschaft über den Boden schon vor tausend Jahren übernommen. Ein totes Land. . Selbst der Puls der Erde, den man doch überall spüren kann, war von Kristallen erstickt. Ein fruchtloser Wind trieb über Härte, Lichterfunken und Narben.

War anderswo der Boden ein lebendiges Gewebe, hier war nur eins: die zur zeitlosen Ewigkeit konservierte Form.

Mehr nicht: Form.

Das trieb das Grauen in einen: durch die Gewissheit, dass es nicht die Form einer einstigen Landschaft war, sondern die Form des Endes.

Und donnernd in dieses ins Allseits verlaufende Nichts rammten sich diese Dämonenfüße in den sandähnlichen Boden und hinterließen Abdrücke, aus denen noch Flammen hervorlugten, züngelnd, halb blau, halb orange.

Die anderen Flammen kamen von vorne.

Der Horizont schien eine sanft geschwungene Linie aus glimmender Asche zu sein. Das verhieß nichts Einladendes. Und seit ein paar Tagen zeichneten sich sogar Konturen darauf ab. Eine ganze Stadt, möchte man meinen. Häuser, die beinahe größer als unser Gefährt sein mochten. Sie standen brav in Reih und Glied, aufgerichtete Quader aus halb zerfallenem Stein.

Dorthin treibt es ihn. Wir stehen auf seinen Füßen. Werden angehoben, vorwärts getragen durch einen schneidenden Wind. Wieder abgesenkt. Der furchtbarste Augenblick: kurz bevor das Donnern sich wie ein Beben durch die Beine zieht.

Wer sich nicht festhält, stürzt und muss zurückbleiben, einem fragwürdigen Schicksal ausgeliefert.

Wir wissen alle nicht, wie sie heißen wird, diese Stadt.

Genausowenig, ob wir überhaupt ihren Namen in Erfahrung bringen werden.

Wir wissen nicht, was geschehen wird, wenn unser Weg quer durch sie hindurchführt.

Ob Stein brennen kann.

Andererseits behaupten die andern ohnehin, die Stadt stünde bereits in Flammen.

Ich beharre, dass ich mir nicht sicher bin.

Mit nichts auf der Welt bin ich mir sicher.

Ich halte mich lediglich fest, so wie die andern.

Und starre dem lodernden Ziel entgegen,

Früher, sagen die andern, früher haben die Menschen auf den Schultern von Riesen gestanden.

Das sind Mythen, denke ich. Und halte mich auch an meiner Unsicherheit fest.

Wir stehen nicht auf den Schultern von Riesen, wir stehen auf den Füßen von gewaltigen Dämonen. Und ihre Schritte sind so unbarmherzig wie sie groß und ausladend sind.

Was sagt ihr dazu?