11 – In der Zwischen-Zeit

Ein Scharlatan hatte einmal behauptet, er könne die Natur eines Menschen von dessen Äußeren ablesen. Bei Sokrates diagnostizierte er an der Kehle eine fehlende Einbuchtung zwischen den Schlüsselbeinen. Und weil die besagte Stelle versperrt und versteift sei, müsse man zweifelsohne rückschließen, sei auch der Sokrates versperrt für das Wissen und versteift auf seine Dummheit. Mit stolz erhobenem Kopf formulierte er am Ende seiner Diagnose: „Und was diese Augen angeht . . . ein liderlicher ...

6 – Das Gelage

  Das Fest konnte inzwischen mit den berühmten Oscar-Verleihungen mithalten, dachte Sokrates. Das Kino hatte aber auf dieser Seite des großen Teiches im Laufe der Zeit eine ganz eigentümliche Wirkung erhalten. Fast mochte man sagen, dass hier mehr geschah, als eine Plattform zu bieten, auf welcher die Künstler sich selbst feierten. Hier feierte sich die ganze Stadt. Es war ihm dann doch ein Flyer einer alternativen Szene in die Hände gefallen. Neugierig studierte er die vielen Termine. ...

4 – Festspiele

Die ganze Stadt brennt vor Eifer. Ein ununterbrochener Fackelzug trieb durch die Straßen. Fahnen wehten aus allen Fenstern. Ein ständiger Menschenstrom, der die Hauptstraßen hinaufzog, so dass Martin meinte: „Sie ziehen wie die willenlosen Tiere den Berg hinauf. Weißt du, was ein Fest ist, Sokrates? Eine Gelegenheit zur Schlemmerei! Das ist ein widerliches Menschsein, da unten. Man hat geradewegs Lust dazuzugehören. Lust! Hörst du! Wir stehen hier oben und während du nicht fertig wirst, ...

2 – Familie

    Wenige Tage, so stirbt die Rose. Vorübergegangen Ist sie; du suchest nun Rosen und findest den Dorn. (Unbekannt; Übers.: Herder)   „Kein Wunder, dass du so selten zu Hause bist!“, meinte Martin. „Dieser Lärm vertreibt die Lebenden.“, dann seufzte der hagere Gast, las eine Tonscherbe vom Boden und drehte sie zwischen den Fingern. „Ich werde nie verstehen, wie du diese Frau heiraten konntest.“ Sandra befand sich in der Küche. Seit Martin seinen Freund besucht hatte, ...