Wie wir geworden sind – Essay

Wir leben unsere Leben inzwischen einfach nur vor uns hin. Wir umgeben uns mit Ablenkungen, um das nicht mehr wahrnehmen zu müssen, was uns das offensichtlichste geworden ist: dass das Leben ein gewaltiges Mysterium ist, nebulöser als des Stiefmutters sprechender Spiegel, unlösbarer als die Frage nach dem Verbleib des Nibelungenschatzes. Wir sind Treibgut und führen uns auf wie Luxusyachten. Wir sind Menschen und schweigen regungslos wie Götter.

15 – On Air

"Eine Regierung, die sich auf ihre Kunst versteht wird also nur ihrem Volk das Gute tun ohne selbst einen Lohn davonzutragen.“ „Augenblick!“, warf Terry ein und sein Grinsen hatte bereits etwas an Leuchtkraft verloren. „Das erscheint mir tatsächlich glaubwürdig, Terry. Es würde zumindest erklären, weshalb so viele Menschen kein Interesse an der Politik zeigen, umso weniger, wenn man sie mit keinerlei Lohn für ihre Arbeit ködert." ...

Marie Mallarmé – Kapitel 4 (1)

Man darf ruhig glauben, dass schon von Anfang an, Marie Mallarmé nicht von Ehrfurcht ergriffen war, sondern von dem Gefühl, grenzenlos überfordert zu sein. Sie stand vor all den vielen Kleinigkeiten, die von nun an ihr Leben bestimmen sollten, fremd und scheu und ohne Bezug zu den Dingen, die da geschahen. Die Kinder im Heiligen Geist pflegten allmorgendlich in dem großen Vorraum zu den Duschen ihre Kleider abzulegen und das kleine, fremde Mädchen wurde von allumfassender Scham ergriffen. Natürlich ...

Virtuelle Staaten – Essay

„Das Internet ist das größte Anarchismusexperiment aller Zeiten.“, sagen Eric Schmidt und Jared Cohen, ehemaliger CEO und Gründer von Google, in ihrem Buch „Die Vernetzung der Welt“. Ich mag diese Vorstellung irgendwie. Dass das alles nur ein Experiment ist. Ein Spielhof, auf dem man zuschauen kann, wie der Mensch so funktioniert. Dezentralisiert, dieses Wort kommt sehr oft in diesem Buch vor. Und es wird voller Stolz gebracht, obwohl es sonst ein sehr amerikanisches Buch ist. Die Utopie, ...

Der freie Wille – Alice hinter den Spiegeln – Ein Essay

Der freie Wille ist eine Illusion. Eltern haften trotzdem für ihre Kinder. (nach: Christian Geyer)   Ich bin ein Homo cerebralis. Ich habe keine Seele, ich habe ein Gehirn. Meine Seele hätte erklären können, wie es mir gelingt, freie, unabhängige, spontane Entscheidungen zu treffen. Mit meinem Gehirn wird erklärt, wie es zu meinen Entscheidungen kommt. Jeder Gedanke ist mit einem bestimmten Gehirnzustand gleichzusetzen. In „Wirklichkeit“ denkt niemand. Das Gehirn spielt „ein Spiel ...

Marie Mallarmé – Kapitel 3 (3)

Sie sah die Moleküle dieser Welt. Sah, wie tausende von winzig kleinen Punkten hin und her schwebten, zitternd. Einige waren mit einander verbunden, hingen aneinander, blieben in ihrer Konstellation. So wie Sternbilder. Und Marie Mallarmé wusste, dass es auf die Perspektive ankam. Wenn sie zurücktreten würde, dann würde sie sehen, dass einige Sternbilder mit anderen Sternbildern zusammenhingen. So als würde eine Kraft, wie Magie, die Moleküle alle aneinander drängen. Und wenn sie noch weiter zurück träte, dann würde sie, Schritt für Schritt, immer mehr Konturen und immer weniger Moleküle sehen, bis sich Elemente zeigten, und dann Körper. Bis es die Welt zeigte. Aber sie trat nicht zurück. Im Gegenteil. Sie trat vor. Denn da war etwas, das ihre Aufmerksamkeit sofort auf sich gezogen hatte. ...