Sturmzeit (9)

Zum ersten Teil geht es hier

Durch die Luft schwammen düstere Töne. Ein eselköpfiger Mann tauchte plötzlich auf. Er schaute scheel zu Quinn und Drafi hinüber. Langsam tauchte die Nacht die Stadt in ihre Schwärze. Es blitzte kurz. Ein Wetterleuchten. Von der Sommerhitze stieg aus allen Gullideckeln Rauch auf. Der Eselkopf lachte ihnen stumm hinterher. Aus einer Gasse traten Feuergaukler aus dem Dunst.

Direkt dahinter: Musiker mit Dudelsäcken und einer laut lachenden, grölenden Gefolgschaft.

Über den Himmel zog ein gewaltiger Blitz und es grollte im Hintergrund über die Berge hinweg.

Annweiler wurde immer dunkler und düsterer.

Schon auf dem Weg hierher hatte sich der Himmel dichter und dichter zusammengezogen. Die Bäume: wenn man dort hinüber sah, während man die kurvige B10 Richtung Tunnel fuhr, dann wirkte es, als ob es kein echter Wald wäre. Die einzelnen Kronen hatten sich zu kleinen Wolkenballen formiert. Sie wurden größer und plusterten sich auf, als sähe man zahlreichen grünen Explosionen zu, die in Zeitlupe sich vor einem aufpumpten.

Nur eine Täuschung natürlich.

Aber Quinn war sie zu real.

Drafi hatte während der Fahrt kein Wort gesprochen. Es war alles am Waldrand der Burg Landeck gesprochen worden. Er hatte geflucht wie ein Verrückter und er hatte mit vor Wut brodelnder Stimme befohlen, dass Josy und Jeanny sofort zurück sollten. Für den Fall, dass Steven und Gerri dort wieder auftauchten.

„Die haben dort aufzutauchen.“, knurrte er. „Wir beide“, hatte er sich an Quinn gewandt, „Wir beide fahren zur Eröffnung des Löwenherzfests nach Annweiler. Und direkt danach auf den Mittelaltermarkt nach Brechen.“, sein Finger bohrte sich in Jeannys Stirn. „Ihr wartet auf Steven und Gerri und kommt mit denen direkt nach Brechen. Habt ihr mich verstanden.“

Jeanny nickte blass. Nur Josy hatte noch die Charakterstärke, sich gegen Drafi aufzulehnen:

„Und wenn sie nicht auftauchen? In der Herberge?“

„Das werden sie nicht.“, schwor Drafi. „Du hast keine Ahnung.“, er hatte sich vor Josy aufgebaut, dass sogar sie den Blick senken musste. „Sie würden eher sterben, als nicht aufzutauchen.“

Und dann hatten sich die Wege getrennt und Josy und Jeanny blieben am Waldrand zurück.

Er war mit Quinn über die gepflasterte Straße zur nächsten Bushaltestelle und dann eine halbe Stunde später mit dem Bus Richtung Annweiler gefahren. Alles schweigend. Und nur den Blick nach draußen auf den sich vor den Augen wabernden und blähenden Wald gerichtet.

Auf dem Löwenherzfest verlor Quinn die Orientierung völlig. Sie ließ sich von Drafi durch das Gedränge zerren und erst als sie auf dem Marktplatz ankamen, hatte sie das Gefühl, dass eine gewisse Ruhe in Drafi zurückkehrte.

An einem Stand mit der Aufschrift „Die roten Ritter“ bestellte er zwei Metbier. Er drückte Quinn ihr Getränk in die Hand. Beim Zahlen sagte er tonlos „Stimmt so“.

„Trinkgeld!“, rief der hinterm Tresen und die anderen Verkäufer antworteten laut mit dem Ruf „Jubel!“, unter dem Quinn zusammenzuckte.

Das süße Bier rann zähflüssig, als wär es warmer Honig, durch ihre Kehle.

Drafi kippte das Bier mit nur einem Zug, knallte den Tonkrug auf den Tresen und bestellte sofort zwei neue. Wieder das Trinkgeld, der Jubelruf und Quinn spürte ihren Verstand und ihre Konzentration tiefer und tiefer in einen bodenlosen Abgrund stürzen.

Drafi sprach kein Wort zu ihr. Das musste er auch nicht. Sie konnte seinen Blick lange genug interpretieren.

Du hast mir meinen Trip versaut, sagte der Blick. Und natürlich auch: Ich hab dich gewarnt.

„Jubel!“, immer wieder riefen Leute in der Menge „Jubel“.

Quinn wünschte sich ihre Freundinnen herbei. Sie hatten die beiden einfach im Wald zurückgelassen. Keine Chance, dass sie sich noch hätten besprechen können, trösten können. Zum Glück war Josy bei Jeanny. Josy war stark. So stark wie in den letzten Stunden war sie wahrscheinlich auch noch nie gewesen. Jetzt musste sie stark für zwei sein.

Irgendwann zog Drafi sie weiter.

Während er sie durch die Menge zerrte, begann er plötzlich zu reden. Erst war es nur ein undeutliches Brummen. Es dauerte, bis Quinn die Worte darin verstand. Er machte ihr jetzt die Vorwürfe, die er die ganze Zeit nur in seine Blicke gelegt hatte. Und dann sagte er: „Ihr habt sie umgebracht, hab ich Recht?“

Quinn blieb wie abrupt stehen.

„Was sagst du da?“

„Ihr habt sie umgebracht. Das war euer Plan, oder? Die ganze Zeit schon. Ihr seid mitgefahren, um uns im Wald zu verscharren.“

„Du hast jemanden umgebracht. Einfach so.“

Ruckartig trat er auf sie zu und funkelte sie bedrohlich an. „Halt dein dreckiges Maul.“, schnauzte er. „Dass du dich traust, so etwas in aller Öffentlichkeit laut zu sagen.“

Fast hätte Quinn gelacht. Die Öffentlichkeit, von der Drafi sprach, war ein Witz. Es waren zu viele Menschen in zu engen Gassen unterwegs. Niemand beachtete sie. Niemand hörte die Worte.

Sie standen kurz vor dem Schipkapass. Die Altstadt lief auf einen engen Weg zu, der sich zwischen zwei Fachwerkhäusern entlang quetschte. Jenseits des roten Hauses auf der rechten Seite wälzte ein Wasserrad unablässig durch den dunklen Flusslauf.

Drafis Hand packte pfeilschnell Quinns Schulter. Der Daumen drückte in die weiche Stelle am Schlüsselbein hinein. So drückte sie hart gegen die Hauswand.

„Du bist ein kleiner Teufel, Queeny.“

Sie konnte nur mit einem Wimmern antworte. Aber das genügte ihm. Es gefiel ihm sogar, wie sie unter seinem Griff blass wurde und dagegen ankämpfte, sich zu winden und vor ihm auf den Boden zu fallen.

„Wie lange planst du uns schon zu töten? Du denkst, ich hätte keine Ahnung? Für wie dumm du mich hältst, nicht wahr?“

„Ich habe niemanden getötet.“, keuchte sie.

„Ich hab Steven gesehen. Hab ihn im Wald gefunden. Hab mir nachts schon Sorgen gemacht, weißt du. Und ich hab euch kommen gehört. Hab euch reden gehört. Wie du Josy gefragt hast, ob sie es nicht bereut, ihn im Wald liegen zu lassen. Ihn verrecken lassen. Ich hab mich im Wald versteckt. War ganz in eurer Nähe. Ihr hättet mich atmen hören können. Aber ihr ward so konzentriert, so berauscht von eurem kleinen Mord. Dass du dich hinstellst und dich so aufregst wegen der Sache mit dem Mädchen im Wald. Und dann ziehst du los und machst das selbe mit Steven.“

„Nichts ist das selbe.“

„Als ihr hinter Gerri her seid.“, er schwieg. Dann griff er plötzlich in seine Jackentasche und zog ein vibrierendes Handy hervor. Er ging dran. Hörte zu, ohne zu reden. Dann grinste er, sagte „Danke“ und legte auf.

„Deine Mädchen sind in der Herberge angekommen. Man kümmert sich grade um sie.“

Quinn verstand nicht. Er lachte über ihr dummes, fragendes Gesicht.

„Glaubst du etwa, du bist die einzige, die Pläne machen kann?“

„Was hast du gemacht, Drafi?“

Sein Gesicht rückte jetzt ganz nah an ihres heran. Er wagte es, sie auf den Mund zu küssen. Fest und unbarmherzig. Mit kalten, feuchten Lippen.

„Mich wirst du nicht tot kriegen. Mich nicht.“, dann drückte er ihr sein Handy in die Hand. Es war auf Bilder gestellt. Ein Bild von Josy und Jeanny, gefesselt.

Wer hatte das Bild gemacht?

Leute wie Drafi haben immer Freunde, nicht wahr? Leute, die ihnen die Kastanien aus dem Feuer holen. Leute wie Drafi, die einen so verdammt gut überzeugen können. Die das Böse in einem wecken und das Finsterste aktivieren können.

Sein Gesicht war hart, er grinste wieder, dass die Zähne gefletscht waren. Drafi, das Raubtier. Drafi der Puppenspieler.

Dann schlug er zu. Ohne Vorwarnung landete seine Faust in ihrem Magen. Aber er achtete darauf, dass sie nicht zusammensacken konnte. Er hielt sie zu eisern fest.

Er schrieb wieder mit blauer Tinte. Und diesmal rutschte die blaue Tinte aus dem Schmerz im Magen heraus und flutete die ganze Welt vor ihren Augen. Alles wurde blau, tief dunkel blau. Der schwarze Nachthimmel, die glänzenden Kopfsteinpflaster, die Häuser, die im Menschenstrom vorbeihuschenden Gesichter, die Gaukler mit ihrem jonglierten Feuer, die Musiker, die Marktstände. Selbst die Gerüche und die Geräusche wurden blau. Drafi beschrieb die ganze Welt mit seiner blauen Tinte. Er schrieb seinen ganzen Hass und seine ganze Bösartigkeit in die Welt.

„Was auch immer du vorhattest“, zischte er ihr ins Ohr. „Es ist vorbei. Wir fahren jetzt nach Brechen und genießen den Mittelaltermarkt dort. Wir genießen das Fest und dann fahren wir nach Hause. Wir zwei. Und dann ist die Geschichte zu Ende.“

Sie konnte nichts sagen.

Sie konnte sich nur wieder weiter ziehen lassen. Durch den Schipkapass ging es an einer großen Fläche vorbei, in der Ritter in vollen Rüstungen saßen und einen Schaukampf ausführten. Es sah aus wie ein glänzender, anmutiger Tanz.

Er zerrte sie zu dem Ausgang und dann sahen sie es:

Auf gewaltigen Stelzen, mit langem, flatternden Mantel und einem hohen Zylinder stolzierte Nazda von rechts über die Brücke zu ihnen herüber.

Drafi sah sie auch. Er blieb irritiert stehen, wechselte einen Blick zwischen Nazda und Quinn.

„Nazda.“, Quinn hatte nicht genug Atem um sagen zu können, was ihr wirklich auf der Zunge lag. Es waren zu viele Worte, zu viele Gefühle.

Drafi machte auf dem Absatz kehrt ohne Quinn loszulassen. Sie hörte ihn sagen: „Sie hat es doch überlebt.“ Sie zwängten sich wieder durch die Menge.

Wieder zurück an den Marktständen vorbei.

„Wir nehmen den anderen Ausgang.“

Aber Nazda saß hinter den Marktständen. Ihr Gesicht blitzte ihnen von überall entgegen.

Drafi zuckte bei ihrem ununterbrochenen Anblick zusammen.

„Was zum …“, sie wechselten die Richtung, stürzten Hals über Kopf über eine Brücke in eine Seitengasse hinein, durch eine Gruppe von Kindern hindurch, die gerade Ritterspiele spielten auf einen Platz mit ohrenbetäubender Musik.

In diesen Seitengassen stand der Rauch aus den Gullideckeln noch dichter.

Man sah nur so weit, wie man die Hand ausstrecken konnte.

Nur nach oben war der Blick weit. Bis in den drückenden Himmel hinein, in dem sich der Sturm zusammenballte.

„Du spielst ein mieses Spiel.“, fuhr Drafi Quinn an. Sie kamen wieder auf den großen Marktplatz und schoben sich Richtung Schmiede durch.

Nazda stand auf der Bühne und starrte auf Drafi herab.

Dann hatten sie den Mittelaltermarkt auf einen Schlag verlassen.

„Sie gehört dazu?“

„Was meinst du?“

„Diese Joggerin. Sie gehört dazu. Wie hast du sie kennengelernt? Hat sie die anderen umgebracht? Ja, das würde passen. Von euch Dreien hat keine den richtigen Mumm für so was. Quinn, das ist genial. Eine Killerin? Anstatt es selbst zu erledigen.“

„So war es nicht“, versuchte Quinn es zu erklären.

„Ach nein? Wie war es denn, Queeny?“

„Es ist … kompliziert … es …“

Wieder schlug er zu. Diesmal mit der flachen Hand in ihr Gesicht.

„Du irrst dich, Quinn. Du irrst dich. Es ist verdammt einfach.“

 

Drafis ganze Welt war einfach.

Sie war so einfach, dass man sie ohne Probleme hätte auf einem Bierdeckel niederschreiben können.

Und, wie Quinns Vater immer zu sagen pflegte: Dann wäre dort immer noch Platz für das Vater-Unser gewesen.

Es gab Probleme und es gab Lösungen. Die Welt war eingeteilt in diese zwei Kategorien. Meistens bedeuteten Frauen die Probleme und Drafi war die Lösung. Selbst wenn er nicht selbst die Lösung sein konnte, so kannte er doch zumindest den Weg dafür.

Josy und Jeanny hatten ihn vor ein Problem gestellt, weil er sie wahrscheinlich unterschätzt hatte. Als er sie losschickte, Gerri wieder einzufangen – was auch immer den Idioten geritten hatte – war ihm der Gedanke viel zu spät gekommen, dass er damit seinen Freund in Lebensgefahr gebracht hätte. Aber als die drei Frauen mit ihm nicht zurückkamen, hatte er immerhin schnell geschaltet und seine Freunde in der Herberge angerufen und sie dann per SMS instruiert.

Quinn konnte es genau zurückverfolgen. Wenn man bedachte, dass es zwischen Drafis Gedanken und seinen Handlungen kaum einen größeren Spielraum gab, dann hielt sie mit dem SMS-Verlauf all seine Gedanken in ihren zittrigen Händen, während das Taxi sie zurück nach Brechen fuhr.

Sie las, wie er den Freunden den Befehl gab, Josy und Jeanny „entsprechend“ zu empfangen. Sie sah die Bilder, die ihr aus der Herberge heraus geschickt worden waren. Die Nachricht: „Wir fangen mit den Fragen an. Wir finden heraus, wer was getan hat“ verursachte ihr Übelkeit. Es gab nirgends nähere Erläuterungen. Kein Hinweis darauf, wie die Fragen gestellt werden sollten. Aber Quinn wusste, dass wenn Drafi „Freunde“ hatte, es garantiert keine Gentlemen sein würden.

„Es ist ein mieses Wetter für die Märkte dieses Jahr.“, plauderte der Taxifahrer. Natürlich ließ sich Drafi nichts anmerken.

Er plauderte mit, bis der Regen so stark und dicht niederprasselte, dass der Taxifahrer das Gespräch abbrechen musste.

„Ist schwer sich zu konzentrieren.“, entschuldigte er sich bei Drafi. „Auch wenn man die Strecke kennt. Wenn man nix sieht … seien Sie nur froh, dass sie jetzt nicht auf dem Markt sind.“ Diesen Satz sagte er besonders gern. Das Radio wurde ausgeschaltet, weil es durch das Prasseln des Regens nicht mehr zu hören war.

Drafis Handy vibrierte in Quinns Händen.

Entsetzt starrte sie auf das Bild, das über den Sperrbildschirm aufblitzte.

Drafi dachte, es wäre ein neues Bild von Josy und Jeanny, weshalb er nach nur einem kurzen Blick nach hinten, das Handy nicht wollte. Als der Bildschirm wieder erlosch, kam es Quinn im Taxi stockdunkel vor. Dabei war die Sonne vielleicht gerade erst untergegangen.

Ein paar Kurven später blitzte das Handydisplay ein zweites Mal auf. Diesmal konnte sich Drafi ein gehässiges Auflachen nicht unterdrücken. Er fragte: „Geht es deinen Freundinnen gut in der Herberge?“

Der Taxifahrer sagte: „Schreiben Sie, die sollen die Fenster dicht machen. Am besten auch Rollläden runter. Wenn es schlimm läuft, schlägt der Sturm alle Fenster ein.“

„Dass nichts unnötig eingeschlagen wird, darum kümmert sich der Herbergsvater schon.“, meinte Drafi.

Quinn hasste ihn. Sie hasste ihn für sein Grinsen, für seine Selbstüberheblichkeit, für seine Gedanken, sein Handeln, seinen Humor. Wie er so da vorne auf dem Beifahrersitz saß, breitbeinig, mit vor der Brust verschränkten Armen und dem in völlige Dunkelheit getauchten Gesicht, war es ihr, als ob sie ihn noch nie gesehen hätte.

„Du bist widerlich.“, sagte Quinn. Es war zu leise. Niemand hatte es durch den Regen gehört. Sie sagte es lauter. Aber diesmal blitzte und donnerte es gleichzeitig über ihnen.

Der Fahrer meinte nur: „Ha! Farradayischer Käfig.“ Und klopfte mit der Hand auf das Armaturenbrett. „Ist irre gefährlich heut Nacht. Ich fahr Sie am besten direkt zur Herberge, oder?“

„Widerlich.“, sagte Quinn ein drittes Mal. Diesmal hatte Drafi es gehört. Er sah sich nach ihr um. Quinn funkelte ihn hasserfüllt an und formte mit den Lippen „Arschloch!“

Er grinste nur.

„Wir fahren zum Markt nach Brechen.“

Und wieder blitzte das Handydisplay auf. Endlich nahm er es ihr aus der Hand. Endlich sah er auf die Bilder. Sah er Nazdas Gesicht. Dreimal Nazdas Gesicht. Dreimal tot. Dreimal im Wald liegen. Drei Beweisfotos. Dreimal von blutigen Blättern umgeben. Von einer Fliege besucht, die ihr auf dem Wangenknochen saß. Beim dritten hatte sie die Augen geöffnet.

„Du kleines Stück Scheiße.“, fuhr Drafi sie jetzt an.

„He!“, machte der Fahrer.

„Du hast ihr meine Nummer gegeben? Hast ihr gesagt, wo wir hinfahren? Dass wir bald da sein werden? Sie wird auch da sein, wie?“

„He!“, der Fahrer wieder. „Beruhigen Sie sich.“

Aber Drafi setzte noch einmal an und versprach Quinn, ihr die Gurgel umzudrehen, ihr und Nazda. Beiden gleichzeitig. Bis ihnen die Augen aus dem Gesicht springen würden.

„Jetzt halten Sie den Rand!“, schrie der Fahrer so laut, dass alle zusammenschraken. „Es ist irre anstrengend, sich hier zu konzentrieren. Also halten Sie den Mund, verdammt! Oder wollen Sie, dass ich das Taxi im Graben versenke?“

„Wir sind gleich da.“, meinte Drafi nur.

Und für den Rest der Fahrt versanken sie wieder in Schweigen.

Als das Taxi hielt, stieg Drafi hastig aus. Es waren nur ein paar Sekunden Zeit, aber die nutzte der Fahrer um zu fragen: „Brauchen Sie Hilfe?“

Sie wusste, dass es ein guter Moment war, um einfach nur „Polizei“ zu sagen. Sie sah es dem Fahrer an, dass er einer der Guten war, einer von der Sorte, die vielleicht wirklich wie ein strahlender Ritter ihr Leben retten könnte. Sie starrte ihm in diese Augen, die unnachgiebig und stolz waren. Sie starrte auf seine muskulösen Armen, dachte, dass er sogar eine reelle Chance gegen Drafi hätte, wenn alles ganz anders kommen würde. Sie dachte an Josy und Jeanny. An Nazda.

Und das war der Augenblick, in dem sie sich für die Antwort entschied:

„Mir wird schon geholfen.“

Der Fahrer blickte skeptisch, er nickte aber.

Alles in den nur wenigen Sekunden, die Drafi brauchte, das Taxi zu umrunden, Quinn von der Rückbank nach draußen in den Regen zu zerren und dem Fahrer das Geld in den Schoß zu werfen.

„Sie halten sich raus.“, knurrte Drafi.

Die beiden starrten einander kämpferisch in die Augen.

Quinn sagte: „Alles gut.“, so als ob es zu jedem einzelnen hätte gesagt werden können. Und dann fuhr das Taxi davon. Quinn und Drafi im Regen am Rand des Marktplatzes.

Drafi sagte: „Wo wird sie hinkommen, Quinn? Wo soll sie mich umbringen? Weißt du was: ich bin bereit.“

Quinn schluckte trocken.

 

Was sagt ihr dazu?