Analyse und Interpretation eines Fantasy-Romans – Annina Safran: Der Spiegelwächter (3)

(Anfang verpasst? Hier geht es zu Teil 1 und hier geht es zu Teil 2)

Wir kehren (endlich) zu unserer digitalen Unterrichtsreihe zurück und wir beginnen mit einem digitalen Lückentext.

 

Digitale Lückentexte haben den Vorteil, dass die SuS sich eigenverantwortlich mit den Inhalten auseinandersetzen können.

 

Die nun anstehende Sequenz beginnt diesmal mit einem Learning-App-Spiel, einem Lückentext, der uns zu dem Begriff „Symbol“ führt. Zunächst taucht er völlig harmlos in dem Text auf, wo er Ovids Narziss, Schneewittchen und Harry Potter miteinander vergleicht, wenn es um die Verwendung des Spiegelmotivs geht. Die beiden Welten: Realität und Fantasiewelt werden nun in Verbindung gebracht mit dem Oberflächlichen, Objektiven und dem Hintergründigen, Seelischen, Subjektiven.

Dabei wird zunächst das Bedeutungsspektrum vorweggenommen, das nun in den folgenden Übungen konkretisiert und schließlich gefestigt werden soll.

 

Link zum Lückentext: https://learningapps.org/watch?v=pirmcxy9j20

 

Es muss selbst in dieser Variante nichts eingetippt werden, statt dessen hat man eine Auswahl aus 20 Begriffen. Die meisten kann man tatsächlich grammatikalisch lösen.

 

Es bietet sich zunächst an, dass wir den Begriff des „Symbols“ definieren und vertiefen.

 

Als Handreichung gibt es zunächst einen Basistext:

 

 

Das Symbol war in der Antike ein konkretes Erkennungszeichen, das bei einer Wiederbegegnung gezeigt wurde, um sich zu erkennen zu geben. Heute noch beliebt ist das Symbol des „Freundschaftskettchens“, bei dem jeder Freund eine Hälfte eines Herzens erhält. Trifft man sich, kann man beide Herzen passend aneinander legen. Solche Symbole werden oft als Beweis für Freundschaft oder Treue genommen. Später wurde Symbol in einem größeren Sinn verwendet. Es handelt sich um ein bildhaftes Zeichen, das für etwas anderes steht. Zum Beispiel steht das Kreuz etwa für das Christentum, das Herz allgemein für Liebe, die Eule steht für Weisheit, etc.

Es gibt nun aber vier komplett verschiedene Arten, Sinnbilder zu verwenden, die gerne miteinander verwechselt werden:

Ikon: Bei einem ikonischen Bild gibt es eine Ähnlichkeit zwischen dem Zeichen und dem, wofür es steht. Das Verkehrsschild „Achtung Zebrastreifen“ etwa sieht ähnlich aus wie ein Mann, der über einen Zebrastreifen geht.

Index: Bei einem indexikalischen Zeichen oder einem Index erkennen wir die Bedeutung mit Hilfe unseres Weltwissens. Sehen wir etwa Rauch am Horizont, dann wissen wir, dieser Rauch steht für ein Feuer. Dort hinten muss es also brennen.

Symbol: Das Symbol erfährt seine Bedeutung nur durch Zufall und durch Vereinbarung. Als beliebtes Beispiel wird der Mercedesstern genommen. Es gibt keine Ähnlichkeit des Mercedessterns mit einem Auto oder mit dem Erfinder dieser Automarke und einen natürlichen Zusammenhang wie beim Index gibt es auch nicht. Ein Designer hat dieses Symbol erfunden und einfach entschieden: Dies ist jetzt das Zeichen für Mercedes.

Chiffre: Bei einer Chiffre handelt es sich um ein Geheimzeichen. Wenn jemand ein Symbol erfindet, aber niemandem verrät, wofür es steht, sondern lediglich Hinweise gibt, dann handelt es sich um eine Chiffre. Beliebt sind Chiffren etwa als Rätsel, Geheimsprachen, in Gedichten, bei heimlichen Liebeserklärungen, etc.

 

 

Heute wollen wir den SuS die Möglichkeit geben, selbst aktiv zu werden mit der Technik. Der Basistext liegt vor und wir gehen zunächst den üblichen Weg des handlungs- und produktionsorientierten Unterrichts und übergeben die Arbeit, die wir bisher gemacht haben, an die SuS, um ihnen einen alternativen Textzugang zu ermöglichen. Dies kann – je nach Lerngruppe – auf verschiedene Arten funktionieren. Ich gebe zwei denkbare Möglichkeiten an:

 

Möglichkeit 1: der sichere Hauptweg

 

Die SuS erhalten die für sie notwendigen Informationen, wie sie auf Learningapps.com gelangen und wie man dort Rätsel erstellen kann. Die Aufgabe besteht nun darin, dass die SuS mit Hilfe des Basistextes ein sogenanntes Millionenspiel erstellen sollen. Dazu sollen sie immer ein Bild finden und als vier Antwortmöglichkeiten immer „Symbol“, „Ikon“, „Index“ und „Chiffre“ nehmen. Selbstverständlich soll nach Möglichkeit immer wieder abgewechselt werden.

Die Lerngruppe muss nun also die Definitionen lesen, verstehen und sich selbständig Beispiele suchen und in Bildform einfügen. (mögliche Hürde: Umgang mit Bildern im Internet; lässt sich aber erklären).

Man kann variieren, indem man durchaus in Gruppen arbeiten lässt. Dafür wird folgender Turnus vorgeschlagen:

  1. Schritt erstelle dein Millionenspiel
  2. Tauscht euch in Vierergruppen aus, spielt die Spiele der anderen
  3. Hat der Spieleerfinder alle Fragen richtig gemacht?
  4. Welches sind die besten (schwersten) Beispiele?
  5. Aushandeln: Einigt euch auf die besten Fragen von euch vier und gestaltet nun ein Gruppenspiel. Gelingt es euch, das beste Millionenspiel in der Klasse zu erstellen?

Im letzten Schritt werden dann die Spiele online gestellt, sodass jeder die Spiele der anderen Gruppen spielen kann.

Nicht zu erwähnen braucht man den spielerisch implementierten Effekt des sukzessiven Wiederholens.

In einer abschließenden Diskussion sollte man den SuS das Offensichtliche darlegen: es gibt ganz einfache Antworten und ganz offensichtliche Symbole. Wahrscheinlich haben viele das Herz für die Liebe, die Taube für den Frieden, den Mond für den Islam, den Judenstern, etc. Am schwersten dürfte wohl das indexikalische Zeichen fallen. Nebst Rauch und Feuer gibt es noch Licht im Wald: möglicherweise ein Haus; viele Bücher in einem Haus: belesen, intelligent, gebildet; Polizei vor einem Haus: Verbrechen; etc.

Auch das Chiffre könnte für Probleme sorgen, aber da gibt es bestimmt pfiffige Kinder, denen rote Detektivfolien einfallen, Geheimtinte, die „Schnitzel“ bei Schnitzeljagd, etc.

 

Möglichkeit 2: der spannendere Weg

 

Man kann im Vorfeld die Klasse aber auch zweiteilen. Die eine Gruppe erhält den Basistext mit der Aufgabe, das Millionenspiel (wie in Möglichkeit 1) zu erstellen. Erst im zweiten Schritt soll dieses Millionenrätsel der zweiten Gruppe zukommen, so dass diese es lösen müssen, ohne je selbst ein Rätsel erstellt zu haben.

Die zweite Gruppe kann den Basistext aber zur Vorbereitung auf andere Art lösen:

Lest euch den Text aufmerksam durch und formuliert ihn so um, dass ihr euren Mitschülern aus der anderen Gruppe erklärt, wieso die geheimnisvolle Schrift am Spiegelrand eine Chiffre ist, das anziehende Leuchten des Spiegels ein Index. Für „Symbol“ und „Ikon“ sucht in der Beschreibung des Spiegels im Roman selbst passende Beispiele.

Euer gesamter Text darf nicht länger sein als die Hälfte des Basistextes!

 

Wenn Gruppe 1 nun ihr Millionenspiel erstellt hat und Gruppe 2 mit Hilfe der Umformulierung des Basistextes eine winzig kleine aber durchaus anspruchsvolle literarische Analyse begangen haben, können die Ergebnisse ausgetauscht werden: Gruppe 2 darf nun das Millionenspiel genießen und nach Fehlern suchen und Spaß an der Begriffsfindung haben; wogegen Gruppe 1 sich überzeugen lassen muss, dass die andere Gruppe alles richtig verstanden hat.

In einem letzten Durchgang kann das Produkt mit einem Feedback versehen und korrigiert werden.

 

Der letzte Schritt:

 

Spiegel haben wir bereits gesagt, sind Symbole. Traditionell haben Spiegel immer die Aufgabe, uns wieder zu geben, uns eine besondere Sicht auf uns oder die Welt zu zeigen. Von daher wird es Zeit, ein kleines Doppelfoto zu gestalten, um mit den analytisch gewonnenen Ergebnissen zu den Fachbegriffen, ein real-praktisches Handeln zu erzielen:

 

Gestalte zwei Bilder (Fotos):

Stell dir vor, du wärst Ludmilla. Du hast nach Kapitel 5 die geheime Macht des Spiegels kennen gelernt. Jetzt wo du zurück bist, posierst du vor dem Spiegel und machst mit ihm gemeinsam ein Selfie.

Als Ludmilla es online postet, fühlen sich viele davon angespornt. Es entsteht ein neuer Trend #spiegelich. Fotografiere jetzt dich mit deinem Spiegel.

Achte dabei auf folgende Sachen:

Der Spiegel bei Ludmilla hat ikonische und symbolische Bedeutung. Er spiegelt nicht nur etwas von der geheimen Welt dahinter wieder sondern auch etwas von der „geheimen Welt“ in ihr.

Das gleiche soll für deinen Spiegel gelten. Wie kannst du die beiden Spiegel symbolisch gestalten?

 

Natürlich sollen die SuS nicht animiert werden, die Bilder online zu posten. Aber es soll eine Auseinandersetzung mit Ludmillas Charakter und mit der eigenen Persönlichkeit durchgeführt werden.

Gerade Spiegel eignen sich sehr schön dafür, zu zeigen, wie das Bild von einem ist, vs. das Traum-Bild, das man gerne hätte.

 

Als Vorbereitung auf diese Aufgabe kann mit schwachen Lerngruppen auch zunächst über den Inhalt des 5. Kapitels geredet werden. (Alternativ im Anschluss an die Aufgabe). Man kann feststellen, dass Ludmilla in der Spiegelwelt sehr neugierig und unvorsichtig ist, in der Realität dagegen sehr vorsichtig, sehr zurückhaltend. Dass die Großmutter womöglich ein anderes Bild von ihr hat, als Ludmilla selbst, etc. All das kann konstruktiv einfließen in die Gestaltung des Spiegel-Selfies.

Was sagt ihr dazu?