Die Brosche (2)

Den Anfang verpasst? Hier klicken 2 Uboldo hatte wenig Freunde. Aber die wenigen waren von der Art, auf die man zählen konnte. Alessia di Vicenco war sogar eine ehemalige Geliebte. Eine von den wenigen Festen und die einzige, mit der er nicht nur verdammt guten Sex gehabt hatte, sondern auch heute noch ganz gut stand. Sie hatte ihn immer gemocht, obwohl er ihr genug Gründe gegeben hatte, ihn zu hassen. Und dafür war er ihr wirklich dankbar. So dankbar, dass er an diesem Abend mit einem wirklich ...

Miniatur

Salim rief so laut er nur konnte gegen das Chaos, gegen die Tauben am ausgetrockneten Kugelbrunnen, gegen die „Ballspielen verboten“ Schilder, unter denen zwei dickbäuchige Männer mit Goldketten Zigarillos zogen. Salim brüllte gegen die Frau, die sich einen goldenen Mosaiktisch vor ihr Teppichgeschäft gestellt hatte. Salims Worte gegen die schief endlos lange Fußgängerzone mit dem Liebespaar, das durch Herbstlaub raschelte, als wären sie zwanzig Jahre jünger. Lautstärke gegen die Hunde, ...

Gleichheit und Freiheit

Mitten im größten Gedränge sich einsam fühlen? Das ist ein altes menschliches Empfinden. Spätestens in dem Zeitalter der Industrialisierung begann es. Nicht wegen der Maschinen, die die Menschen zu ersetzen begannen: wegen der Vielzahl an Menschen, wegen des Gedränges. Je enger man zusammenrutscht, je mehr Bewegungsfreiheit verliren geht, desto mehr schafft die Seele sich im Körperinnern Platz. Desto mehr fühlt man in sich selbst hinein und erahnt was dieses Ich doch ein Gleiches ist. Freiheit ...

Schirm

Komm unter meinen Schirm. Es beginnt zu regnen. Obwohl der Himmel wolkenlos ist. Verrückt. Die Sommerregen können unangenehm sein. Komm ruhig näher. Sag mir, wohin wir gehen und verlass dich auf mich. Langsam sinken alle Farben nach unten. Die Stadt tauscht das Licht mit der Welt. An der Uferpromenade zünden sie Fackeln an, haben sie gesagt. In der Fußgängerzone wird es so dicht, dass kein Durchkommen mehr möglich ist. Sieben Bühnen mit vielen verschiedenen Acts. Da wirst du nicht nur zerdrückt, ...

Woran Anna Levogt bei Schlaflosigkeit denkt

Ist mir nicht schade, dass die Grenzen immer mehr geschlossen werden. Mache keinen Urlaub in Europa. Im Flugzeug gibt's keine Grenzen. Außer die Sicherheitskontrollen am Airport. Alles in kleinen Fläschchen. Die großen Flaschen bleiben zu Hause. Und jammern. Köln war mal meine Lieblingsstadt. Heute alles nicht mehr mein Deutschland. In Israel ist wieder eine Drohne abgeschossen worden. Kriege sind heute nur noch für Elektroschrott. Soll man ruhig wieder aufrüsten. Nicht nur die großen Bomben. ...

Schönstadt – Essay

Die Sitze in den Bussen und Straßenbahnen haben einen unfassbar hässlichen Bezug. Und das absichtlich. Man geht davon aus, dass die Menschen in öffentlichen Räumen randalieren. Also sieht der blaue Bezug so aus, als wäre mit Edding und mit Sprühfarbe ein kreuzundquer Muster überall aufgemalt worden. Kurzum: es sieht so aus, als wäre schon Schindluder mit der öffentlichen Einrichtung betrieben worden. Das ist eine verkappte Psychologie. Du sitzt umgeben von absoluter Hässlichkeit und sollst ...

Maschinen

Die Maschinen im Innern defekt Zu Reparieren mit silbernen Händen gelingt es. Die Arme nach links und nach rechts erhobene Hände die Handflächen zum Himmel gerichtet Um Punkt Vier bluten sie Rost gequälte Getriebe Seele, erhebe dich! Steh' auf von den Toten! Steh auf aus dem ewigen Trümmerschlaf versteck' dich im Lichte der ölschwarzen Nächte Industrieschornsteine wie Kirchtürme dampfende Zähne der Zeit aus dem Stadtbild gereckt Die Maschinen im Innern defekt und keine Bewegung für ...

Silberne Band (Blues)

Bitte glaub mir, ich weiß nicht, was geschieht Seit heute Morgen Spielt die silberne Band ihr Lied Unruhig geschlafen Mit dem Vollmond im Gesicht Es ist dieser Sommer Der uns einfach nicht vergisst. Die staubigen Straßen Singen vom Horizont und vom Meer Ihr treibend synkopischer Rhythmus, sagst du, sei alles andre als fair. Und siehst du einen Mann auf der Straße, Der mit den Fingern einfach so schnippt. Ja, siehst du diesen Mann auf der Straße, Der vor die eigenen Schritte nur blickt Siehst ...

Am anderen Ende der Straße

Am anderen Ende der Straße Steht ein namenloses Haus. Am anderen Ende der Straße Sehen die Hunde räudiger aus. Am anderen Ende der Straße Wird die Straße nie fertig gebaut Am anderen Ende der Straße Wird an Fleisch statt an Götter geglaubt. Am anderen Ende der Straße Laternen mit nikotingelbem Licht Am anderen Ende der Straße Nennt Jim seine Faust „das Letzte Gericht“. Am anderen Ende der Straße Wo seit Tagen eine Warnleuchte blinkt Am anderen Ende der Straße Sind Frauen wie Motten ...