Wenn ich einmal sterbe

Wenn ich einmal sterbe,
dann wird es Wörter regnen
wie rosa Blüten von Kirschbäumen.
An Cézannes Grab
soll auch die Farbe aus dem Himmel
ausgelaufen sein
und sich quer
und kreuz
über den Friedhofsweg verteilt haben.

Und weil die Welt nicht
Besser geworden ist,
werden meine Worte sauer sein
und in der Erde versickern
und euch, Nachgeborenen,
das Grundwasser trüben.

Wenn ich einmal sterbe,
dann werdet ihr euch den Augenblick
zurückwünschen, da ich im Leben mal still war
weil das jetzt nicht mehr so sein wird
Weil die Wörter, die auf dem Boden
aufklatschen, aufplatzen und
ihren Inhalt
überallhin verteilen.

Ich werde euch aus den Wolken
Einen Wörterguss runterschicken,
der sich gewaschen hat,
und euch die Gedanken
aus den Ohren rauspusten,
bis ihr euch selbst nicht mehr
besser versteht als jetzt,
da ich noch am Leben bin
und ihr euch um
Kragen und Kopf
Schweigt.

Und stellt euch den
Silbenbogen vor
Der in schillernden Farben
Sich quer über diesen
Gottverdammt hässlichen
Friedhofshimmel zieht,
weil das Licht sich in meinen Worttropfen bricht,
weil jede Silbe zu einem Prisma geworden ist
und jetzt schillern kann.
Was wird das ein Kranz sein, den
Meine Worte über das Firmament zeichnen!
Und ohne Maulkorb – wie soll man auch Regen zensieren? –
Wird da all das, was ich immer gedacht habe
Auf den getönten Fensterscheiben
Eurer Fahrzeuge aufschlagen,
ihr werdet die Buchstaben verwischen
aber die Bedeutungen nicht mehr
von euren Sinnschutzscheiben runterwischen können.
Ihr werdet durch die klatschnassen Straßen
Hinüber in eure Wortviertel fahren
Und eure Räder werden durchdrehen
Wenn ihr zu schnell
über meine Onomatopoeisien drüberrauscht.

Versucht ruhig, wie die Kinder,
zwischen meinen Regenzeilen
hin durch zu lau fen doch
trocken ist anders!
Stellt euch unter die Unterstände
Und untersteht euch im geheimen
Über meine Reime zu weinen.
Versucht ruhig, wie die hartgesottenen,
billige Schirme aufzuspannen,
ich zerhagel euch euren Schutz
eure Kleider werden sich vollsaugen
mit meinen Gedanken.

Anfangs alliteriere ich und flute eure Keller voll in fantastischen Flüssen.
Ich werde die Luftfeuchtigkeit klimaktisch steigern!
Und chiasmisch über eure Gesichter nach unten rutschen.
Werde mich elliptisch auslassen.
Neologistisch werde ich Euer Regenverkünder.

Oh, wenn ich einmal sterbe
Werde ich über Schlafzimmerdachfenstern
Sanft meine Ängste und Träume
Zu euch hineinflüstern
Und euch von meiner Zukunft erzählen
Bis die eure Vergangenheit geworden ist.
Damit ihr nicht vergesst,
auf Regen hört ihr ja besser
als auf das Wasser in euch.
Im heftigsten Regen gibt es immer einen,
der auf die Straße springt und tanzt.
Im heftigsten Regen gibt es immer einen,
dessen Tränen man nicht sehen kann.
Im heftigsten Regen gibt es immer einen,
für den es sich lohnt, sich zu regen.

Ich regne.
Also hör mir gefälligst zu.

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